Wien - Vor Beginn des Brüsseler EU-Gipfels, bei dem Energiefragen im Mittelpunkt stehen sollen, haben Grüne und die Umweltorganisation Greenpeace die Atompolitik der österreichischen Bundesregierung kritisiert. Sie befürchten, dass der Gebrauch des Begriffs "CO2-arme Technologien" vor dem Hintergrund der Klimaschutzpolitik in einem Papier der EU-Kommission die Atomenergie mit erneuerbaren Energieformen gleich gestellt werden soll.

Beim EU-Gipfel drohe ein "Pro-Atom-Beschuss", der den Weg für neue Atomkraftwerke freimache, warnte die Grüne Vizechefin Eva Glawischnig. EU-Ratsvorsitzender Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) streue der Bevölkerung Sand in die Augen, "wenn er sich in der aktuellen EU-Energiedebatte auf den Standpunkt zurückzieht, in Österreich werde es auch in Zukunft keine Atomkraftwerke geben". Radioaktive Wolken würden nämlich keine Grenzen kennen. Zudem könne die Atomkraft, die nur sechs Prozent des Endenergieverbrauchs der EU decke, die Energieversorgungsprobleme nicht lösen.

Greenpeace-Atomexperte Erwin Mayer kritisierte die "Scheinpolitik" der österreichischen Bundesregierung im Atombereich. Schüssel wolle den Österreichern vorgaukeln, dass die EU bei einer Änderung der Energiepolitik in Österreich ein neues AKW errichten wolle. "Mit dieser inszenierten Geschichte wehrt der Kanzler eine nicht vorhandene Gefahr ab. Wir verurteilen diese atompolitische Spiegelfechterei. Der Kanzler ergeht sich in Anti-Atom-Rhetorik und die Regierung unterstützt gleichzeitig die real in der EU stattfindende Renaissance der Atomkraft." Auch Glawischnig betonte, es sei eine "Selbstverständlichkeit", dass Österreich AKW-frei bleiben werde.

"Leider nicht ernst zu nehmen"

Laut Greenpeace ist das österreichische Bekenntnis zu erneuerbaren Energien "leider nicht ernst zu nehmen". Die Bundesregierung habe nämlich auf EU-Ebene gegen verbindliche Ausbauziele für Wasser- und Windkraft und Biomasse sowie bei der Energieeinsparung gestimmt.

Der ÖVP-Europaparlamentarier Paul Rübig rief indes die EU-Staaten in einer Aussendung dazu auf, in Energiefragen "mit einer Stimme" zu sprechen. Ziele müssten Versorgungssicherheit, mehr Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz sein. Mit der Betonung der Energieeffizienz könnten zudem bei Klein- und Mittelbetrieben "völlig neue Geschäftsfelder entstehen" und mehr Jobs geschaffen werden. Einsparungen beim Energieverbrauch sollen Priorität haben, betonte der Energiesprecher der Europäischen Volkspartei (EVP).

Die EU-Staats- und Regierungschefs werden am Donnerstagabend zum ersten Mal auch über Energiepolitik sprechen. Hintergrund ist die Abhängigkeit Europas von Energieimporten, die Anfang des Jahres im Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine offenbar geworden war. Die EU-Staaten sollen künftig gegenüber den Produzentenländern gemeinsam auftreten und ihre grenzschreitende Kooperation bei Energieversorgungsnetzen verstärken. Die Wahl der Energieträger - etwa die Absage an die Atomenergie - bleibt weiter in ausschließlicher Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, unterstrich Ratsvorsitzender Schüssel im Vorfeld des Treffens. (APA)