Wien - Früher Morgen im Asylamt Wien. Einige Flüchtlinge warten auf ihre Einvernahme, darunter - als einzige schwarze Frau - Lidia E. aus Äthiopien. Eine Schreibkraft verteilt Formulare, die auszufüllen sind. Nach einer Weile kommt dieselbe Schreibkraft, stülpt Gummihandschuhe über, ergreift wortlos Frau E.s Handtasche, inspiziert alles eingehend, findet einige Schriftstücke, nimmt sie an sich, kopiert sie und gibt sie zurück. Frau E. ist die einzige Anwesende, die so beamtshandelt wird. Ihre Einvernahme muss übrigens verschoben werden: Der Dolmetsch ist nicht erschienen. So ist der Vorfall in Gedächtnisprotokollen von Frau E. und zwei Zeugen übereinstimmend festgehalten. Pech für das Asylamt: Die eine Augenzeugin ist eine neue - und daher noch nicht amtsbekannte - Rechtsberaterin von Asyl in Not, und sie legte gegen das Verhalten der Sekretärin eine Maßnahmenbeschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) ein. Verstoßen habe das Asylamt, so die Beschwerde, zum einen gegen die Menschenrechtskonvention, die erniedrigende Behandlung ver- und die Achtung des Privatlebens gebietet, und zum anderen gegen das Asylgesetz. Dort wird zwar die Durchsuchung der Habseligkeiten von Asylwerbern gestattet, aber nicht ohne weiteres: - Sie muss von "Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes", sprich: den Krimi-nalpolizisten, die dem Asylamt zur Seite stehen, - oder, ersatzweise, von besonders geschulten Beamten durchgeführt werden, - und zwar nur dann, wenn bei der Einvernahme der Verdacht aufkeimt, der Flüchtling verheimliche Identitätsdokumente oder Beweismittel. Die Einvernahme von Frau E. freilich fand gar nicht am selben Tag statt. Taschen und Kleidung Wolf Szymanski, Ausländer-Sektionschef im Innenministerium, wollte auf Anfrage des STANDARD zum Anlassfall nicht Stellung nehmen, solange das UVS-Urteil aussteht. Zum Grundsätzlichen: Die Asylbeamten seien "vielfach ehemalige Polizisten, die man für Durchsuchungen nicht viel ausbilden muss", die anderen erhielten eine Ausbildung kraft praktischer Anschauung. Leibesvisitationen, darauf legt Szymanski Wert, fänden ja nicht statt, nur Kleidungs- und Taschenvisitationen. Die Beamten, wünscht sich der Sektionschef, sollten sensibel sein und den Betroffenen ihr Tun erklären - ohne Dolmetsch bestimmt keine leichte Aufgabe. STANDARD-Mitarbeiter Robert Schlesinger