Foto: Buchcover

Ein berühmter iranischer Philosoph, vor Jahren einmal nach Italien als Staatsgast eingeladen und als vermuteter Reisspezialist mit einem Risotto Milanese traktiert, stocherte in demselben herum und schob den Teller mit den Worten "qabel-e chordan nist" von sich - "das ist ungenießbar". Man muss sich nicht so einseitig festlegen, aber dennoch: Persischer Reis schmeckt weltweit genauso einzigartig, wie seine Zubereitung es ist: Basmati-Reis einweichen, unter fließendem Wasser waschen, in Salzwasser sprudelnd, fast weich kochen, abtropfen lassen, in einen Topf, auf dessen Boden heißes Fett zerschmilzt, vorsichtig einschichten, mit einem von Geschirrtüchern umwickelten Deckel verschließen und danach auf so geringer Flamme "ausdämpfen" lassen, dass sich unten eine zart angebräunte, knusprige Kruste bildet, ohne dass der Reis verbrennt.

Persischer Reis, duftend, leicht und trocken

So entsteht persischer Reis, duftend, leicht und so trocken, dass die einzelnen Körner links und rechts davonfliegen, wenn man mit der Gabel durchfährt. Wer ihn erst einmal verinnerlicht hat, läuft Gefahr, gegen die Verlockungen "reisiger" Kontrastprogramme wie selbst der feinsten Risotti immun zu werden.

Neda Afrashi, Medizinerin und Sprachwissenschafterin aus dem Iran, legt das erste "Edel"-Kochbuch der iranischen Küche in deutscher Sprache vor. Das ist gut so, denn bei uns firmiert persisches Essen oft als Abart von "arabischer" oder "orientalischer" Küche. Vor allem hat die Küche nichts mit mediterranen Kochtraditionen zu tun! Knoblauch? Null (außer in Nordpersien). Olivenöl? Null (außer in Nordpersien). Paradeiser? Erst seit der Zeit um 1900, daher nur sehr wenig. Also eher wie Indien? Vielleicht aus strukturalistischer Sicht (die Kochtechnik ist verwandt) - aber geschmacklich: Nichts Scharfes, kein Currygeschmack!

Das Faible für Reis teilen die Iraner mit Mittel-, Süd- und Ostasiaten

Das Faible für Reis teilen die Iraner mit Mittel-, Süd- und Ostasiaten, aber: Es gibt kaum Klebreis; die chinesischen Wok-Gerichte mögen, ähnlich den Currys der Inder oder Thais, zwar ragoutartige Zuspeisen zum Reis sein - was sie mit den persischen, "Chorescht" genannten Ragouts gemeinsam haben -, hier aber ist der Reis das Hauptereignis, die oft namensgebenden Ragouts sind bloß Zuspeisen. Die aber haben es in sich! Sie basieren vor allem auf der üppigen Verwendung frischer Kräuter, die nicht als Geschmackszutaten verstanden werden, sondern oft die Substanz der Speisen abgeben.

Irgendwann im 14. oder 15. Jahrhundert wurde das Reis-Essen unter ostasiatischem Einfluss bei vornehmen Persern Mode, im 16. Jahrhundert entstanden zwei Methoden: entweder den "weißen Reis" (wie oben beschrieben) mit besagten Choreschts zu kombinieren oder den Reis vor dem Ausdämpfen mit Zutaten zu versehen und gemeinsam fertig garen zu lassen. Das ergibt den "Polou". Er ist das sprachliche Grundmuster für alle Pilafs, Plows oder Pullaous dieser Welt - und er ist in kulinarischer Hinsicht ihrer aller Höhepunkt.

"Polou": Grundmuster für alle Pilafs, Plows oder Pullaous

Polou mit Berberitzen und Huhn, Weichseln und Lamm, ein Schirin-polou mit Huhn, Pistazien, Mandelstiften, Korinthen, Orangenschale und Safran, oder die Kombination von Reis, Lamm, Dillkraut, dicken Saubohnen und Kurkuma - das sind unglaubliche Verführungen für Reisliebhaber! Ragouts wie "Qormeh-sabzi" (Berge von frischen und klein gehackten Kräutern werden mit Lamm und Limetten langsam gedünstet) oder das von der kaspischen Küste stammende "Fesendschan" (Ente in einer Soße aus Walnüssen und Granatapfelsirup), das alles sind Feinheiten, die sich archetypisch in unsere Geschmackserinnerungen eingraben.

Nichts Weiteres über diverse breiige Suppen, Vorspeisen und ungewohnte Desserts, gewürzt mit Rosenwasser und Koriander, die für das hiesig konditionierte kulinarische Gemüt gewöhnungsbedürftig sein mögen - hat sich aber jemand erst einmal ethnografisch an sie herangegessen, gibt es Aha-Erlebnisse!

Opulente fotografische Ausstattung

Die "islamische Welt" hat vielgesichtige Kulturen, die sich gleichermaßen untereinander austauschen und voneinander unterscheiden. Das gilt besonders für den Iran und seine Küche. Die Autorin bemüht sich, diese Besonderheit nicht nur kulinarisch, sondern auch für Geschichte und Kultur vorzustellen. Die opulente fotografische Ausstattung des Buches unterstreicht dieses Anliegen. Das Layout mit seinen oft kleinteilig zusammengesetzten Bildern hält hier leider nicht mit. Manche Bildunterschriften sind leichtfertig verfehlt. Besonders ärgerlich: Die vier gemalten Miniaturen im Buch sind allesamt keine persischen, sondern indische aus der jüngsten Gegenwart, Adaptionen des einstigen Mogul-Stils, der auch vor 400 Jahren schon indisch und nicht iranisch gewesen ist. Hier sind die Herausgeber des Bandes selbst in die Falle der "All-Orientalisierung" hineingetappt, eine Falle, die sie mit dem verzichtbaren Untertitel "Der ganze Zauber des Orients" selbst gestellt haben. Das sind aber nur beiläufige Mängel eines erfreulichen Buches, das uns eine ganz spezielle Kulinarik aus Vorderasien und ihre Kultur bewusst macht. Wer schon nicht danach kocht, sollte sich Neda Afrashis "Persische Küche" als "Reiseführer" vor dem nächsten Besuch eines persischen Restaurants zu Gemüte führen! (Bert G. Fragner, DER STANDARD, rondo/14/04/2006)