Wien - Wieder haben ein paar überstrapazierte Mann-Frau-Klischees ausgedient: Bei gebildeten Partnern kauft, wie eine neue Studie von Wiener WirtschaftspsychologInnen zeigt, nicht mehr automatisch der Mann das Auto und die Frau die Wohnungsdekoration. Und bei Konflikten hat nicht mehr der Mächtigere das letzte Wort, sondern der Partner mit dem stärksten persönlichen Interesse und dem größeren Sachwissen. Oft gewinnt aber auch der, der sich bei den letzten Entscheidungen nachgiebig gezeigt hat. "Es sieht so aus", folgern die Autoren, "als versuchten die Partner, über die Zeit eine gewissen Einfluss-Balance herzustellen." Was allerdings nicht bedeutet, dass die Partner von heute ein Herz und eine Seele sind: In 30 Prozent der Fälle beschreiben sie den gleichen Konflikt so unterschiedlich, dass er kaum wieder zu erkennen ist.80 Tagebücher Um dies und vieles mehr herauszufinden, hat ein Team um Erich Kirchler (Vorstand des Instituts für Psychologie, Uni Wien) ein nahezu unmögliches Unterfangen gewagt: 40 Paare mit mindestens einem schulpflichtigen Kind wurden motiviert, ein Jahr lang täglich per Fragebogen Buch über ihre Gespräche, Entscheidungen und die dabei auftretenden Konflikte zu führen. Und zwar jeder Partner für sich. Kirchler zum STANDARD: "Der Wissenschaftsfonds hat das Projekt mit der schönen Bemerkung gefördert: ,Nicht weil wir glauben, dass es gelingt, sondern wegen seiner Originalität.'" Aber das Projekt ist doch gelungen, 80 Partner haben durchgehalten. Ein hartes Brot, auch wenn am Schluss jedem Paar 10.000 S winkten. Gefragt wurde nach vielen Details. Unter anderem: Wie lange haben sie heute miteinander gesprochen? Über welches Thema? Waren Sie einer Meinung? Wie wichtig war das Thema für Sie? Wie war das Gesprächsklima? Wie viel Prozent Einfluss hatte jeder? Wie fair war die Entscheidung? Mit welchen Taktiken haben Sie zu überzeugen versucht? "Im Durchschnitt berichten die Paare, ob sehr oder weniger glücklich, zwei- bis dreimal im Monat über einen Konflikt. Unterschiede gibt es nur in der Bewertung der Interaktionsqualität. Für uns waren hauptsächlich jene Konflikte interessant, die zu einer Entscheidung geführt haben", sagt Kirchler, "weil wir die Determinanten des Einflusses herausfinden wollten." Auch die verschiedenen Beeinflussungstaktiken wurden untersucht. Als günstigste Methode erwies sich - wenig überraschend - die Suche nach einer optimalen Lösung für alle. (Statt Urlaub am Meer oder in den Bergen: am Bergsee.) Die zweitbesten Erfolge fahren die Netten, Verführerischen und Schmeichelnden ein. Sehr hilfreich ist, an die eigenen Vorleistungen zu erinnern (das letzte Mal haben wir uns nach dir gerichtet). Wichtig auch die offene Darlegung der eigenen Bedürfnisse. Manchmal allerdings geht auf dem Entscheidungsweg auch das Ziel verloren, wie bei jenem Vater, der sich mit seiner Frau geeinigt hatte, dem Sohn zum Geburtstag eine Lokomotive um 1000 Schilling zu schenken. Papa suchte, fand aber nur Loks um 2000 Schilling. Mama blieb hart und forderte: Such weiter. Schließlich kam Papa mit einer 2500 Schilling teuren Lok nach Hause - aber nicht für den Filius, sondern für seine eigene Eisenbahn. Erinnerung trügt Was fängt man nun in der Praxis mit solchen Forschungsergebnissen an? Koautorin Katja Meier: "Viel. Die Marktforscher wollen wissen, wer auf Kaufentscheidungen Einfluss hat. Und wie sich gezeigt hat, bringt das sofortige Befragen von Personen ganz andere Ergebnisse als spätere Tests." Nach sechs Monaten nämlich behaupten Paare (vorurteilsgemäß), der Mann habe das Auto gewählt, auch wenn es die Frau war. E. Kirchler, C. Rodler, E. Hölzl, K. Meier: Liebe, Geld und Alltag . Die Studie erscheint am 21. Juni im Hogrefe Verlag Göttingen als Buch. Heide Korn