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Foto:Reuters/Chu
Seit China seine Rohstoffe und Energie mit der Ausnahme von Kohle in großen Mengen importieren muss, versteht Peking bei den Ressourcen keinen Spaß mehr. Um notorische Kleinstdiebe von Gas und Öl abzuschrecken, lassen die Behörden die bisherigen Höchststrafen von zehn Jahren für Öldiebe verschärfen. Ihnen soll sogar die Todesstrafe drohen, wenn sie beim Anzapfen einer Pipeline oder bei der Anlage von Bohrlöchern Explosionen auslösen und die Produktion sabotieren. Stillstand der Versorgung kann sich China nicht leisten. Die Energieplanung steht auf dem Prüfstand. Das Wachstum wurde zu teuer erkauft.

Der Leiter der Wirtschaftsforschungsstelle im Zentralkomitee, Li Lianzhong, warnt vor der Zerstörung aller eigenen Ressourcen und einer wachsenden Importabhängigkeit. 2020 wird sie bei Öl um 60 Prozent liegen. China lag 2005 mit umgerechnet 2,22 Mrd. Tonnen Steinkohleeinheiten (SKE) bei 13,6 Prozent des Weltenergieverbrauchs.

Die Folgerungen heißen bessere Nutzung, erzwungene Sparsamkeit und Ausbau neuer Energieträger - von erneuerbarer Energie bis zur Kernenergie und immer größeren Staudämmen und Wasserkraftwerken.

Strategische Sicherung

Vor allem aber geht es Peking um die strategische Sicherung und Beschaffung von Energie und Rohstoffen aus allen Teilen der Welt. Sie bestimmen immer stärker ihre Treffen und Reisepläne. Staatspräsident Hu Jintao wird daher unmittelbar nach seiner am Montag begonnenen USA-Reise zu vier anderen Ländern weiterfahren nach Saudi-Arabien, Marokko, Nigeria und Kenia. Dort geht es, so schreibt die China Business Times, nur um einen Tagesordnungspunkt: "Er heißt Zusammenarbeit bei Energie." Um Öl und Gas ging es auch bei Hus jüngsten Treffen in Peking mit den Präsidenten Russlands, Turkmenistans oder Georgiens.

Chinas strategisches Denken kreist um das Jahr 2010, wenn seine Öl- und Energienot am größten werden. Dann soll es einen Ableger der sibirischen Ölpipeline nach Nordostchina geben, soll aus den Gasfeldern Turkmenistans 30 Jahre lang Gas nach China strömen und Peking Zugriff auf georgisches Öl haben.

In Sachen Energie war auch Premier Wen Jiabao unterwegs. In Australien gelang ihm sein größter Deal: die Lieferung von 20.000 Tonnen Uran ab 2010 für Chinas Ausbau der Kernenergie.

Zu wenig Uran

China selbst fördert nur 700 Tonnen Uran im Jahr. Von Australien kaufte China 2005 bereits 112 Mio. Tonnen Eisenerz und wird Ende des Jahres auch Gas beziehen.

Auf den Ausbau der Kohle, aus der das Land 65 Prozent seines Stroms gewinnt, kann sich Peking nur begrenzt stützen. Als es seine Kohleförderung und den Bau neuer Kraftwerke ab 2003 um jeden Preis ausweitete, zahlte es mit Überproduktion, Umweltzerstörung und grauenhaften Unfällen in Kohlebergwerken und Gasfeldern dafür. Die Akademie für Umweltplanung enthüllte am Freitag, dass 2005 neue Kohlekraftwerke mit 50.000 Megawatt Stromleistung und damit 10.000 Megawatt mehr als geplant gebaut wurden. Sie verbrannten mit 111 Mio. Tonnen doppelt so viel Kohle wie 2000.

Kein Wunder, dass China acht von 20 Umweltzielen in seinem abgelaufenen Fünfjahresplan 2000 bis 2005 verfehlt hat. Am folgenschwersten wirkte sich das auf die Menge der Schwefeldioxidemissionen aus. Längst steht das Land dabei in absoluten Zahlen weltweit an erster Stelle.

Umweltfreundliches Gas bietet noch keinen Ausweg, weil es davon zu wenig gibt. Im hoch entwickelten Ostchina könnten heute schon mehrere Kraftwerke mit einer Kapazität von vier Gigawatt aus Gasmangel nicht betrieben werden. Massenunfälle in Kohlegruben sind die andere Seite der Medaille, die Peking schließlich handeln ließ.

In den ersten drei Monaten 2006 wurden 5535 kleine Kohlegruben endgültig geschlossen und 20.000 von insgesamt 26.000 zur Sicherheitsüberprüfung stillgelegt. Erstmals setzten die Behörden die Anweisungen auch durch - allerdings mit einem ungewollten Resultat. Die Produktion fiel um fast 13 Mio. Tonnen im ersten Quartal, 3,1 Prozent weniger als 2005. Rufe werden wieder laut, die Auflagen zu entschärfen. China dreht sich immer noch in einem Teufelskreis von Wirtschaftswachstum und fehlender nachhaltiger Energieversorgung. (DER STANDARD Printausgabe 19.04.2006)