Zwar hat das Land den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, und die Verfassung verbietet die militärische Nutzung der Atomenergie. Doch die Chance, mehr Uran als für den Eigenverbrauch erforderlich zu produzieren, könnte in Brasilien ein Umdenken einleiten. "Brasilien verfolgt einen Weg, der dem des Irans sehr ähnlich ist, aber der Iran bekommt die ganze Aufmerksamkeit", sagt Marshall Eakin, ein brasilianischer Atomexperte von der Vanderbilt-Universität. Letztlich profitiere Brasilien von den Problemen des Iran.
Gefestigte Demokratie
Teheran hat sich unter anderem wegen der Hetzkampagne von Präsident Mahmoud Ahmadinejad gegen Israel ins Abseits manövriert. Wegen des Versuchs, Teile seines Programms im Dunkeln zu halten, unterstellt der Westen dem Iran das Streben nach der Atomwaffe. Über die Forderung des UNO-Sicherheitsrates, die Urananreicherung auszusetzen, setzt sich die Regierung bisher hinweg. Brasilien gilt dagegen als friedlich, hat eine gefestigte Demokratie und keine Grenzstreitigkeiten. Der letzte Krieg endete 1870.
"Brasilien schummelt nicht beim Atomwaffensperrvertrag und liegt nicht in einer Krisenregion", konstatiert David Albright, ein früherer UNO-Waffeninspektor und Leiter des Washingtoner Institute for Science and International Security. Auch das US-Außenministerium weist Parallelen zwischen beiden Staaten zurück: Brasilien verfolge ein friedliches Atomprogramm, sagt Ministeriumssprecher Sean McCormack.
Letzte Tests
Vor kurzem hat die staatliche Industrias Nucleares do Brasil letzte Tests an der Urananreicherungsanlage Resende vorgenommen. Sobald diese mit der Produktion beginnt, gehört der Staat zur Atomelite. Er verfügt über die sechstgrößten Uranreserven, doch bisher musste das Material zur Anreicherung nach Europa gebracht und reimportiert werden. Die Zentrifugen in Resende, etwa 150 Kilometer westlich von Rio de Janeiro, können nach Regierungsangaben natürliches Uranerz in Uran-235 mit einer Konzentration von fünf Prozent umwandeln. Für Atomwaffen ist ein Anreicherungsgrad von 95 Prozent notwendig.
Ex-UNO-Inspektor Albright hat für die Brasilianische Physikgesellschaft an einem Projekt gearbeitet, um zu zeigen, dass die Zentrifugen auch hoch angereichertes Material herstellen können. "Die Zentrifugen sind sehr flexibel", sagt er. Durch Neukonfigurierung der Kaskaden oder eine vielfache Wiederholung der Anreicherungsschritte könne in Resende durchaus waffenfähiges Material produziert werden.
Die Weigerung der Regierung, den IAEO-Inspektoren Zugang zu den Zentrifugen zu gewähren, wird mit der Gefahr der Industriespionage begründet. Die Kontrollore dürfen lediglich das Uran vor und nach der Anreicherung analysieren, die von Brasilien selbst entwickelten Zentrifugen selbst sind gegen die neugierigen Blicke abgeschirmt.
Die Regierung betont, mit der Anlage nur Brennstoff zur Energiegewinnung herstellen zu wollen. Das Land gehört schon jetzt zu den größten Lieferanten von Atomstrom in Lateinamerika. Um die Abhängigkeit vom Öl weiter zu reduzieren, sollen sieben neue Atommeiler gebaut werden. Auch wird in Brasilia längst über einen Export von angereichertem Uran nachgedacht, was laut Experten frühestens in acht Jahren möglich wäre.
Militärs planten Atom-U-Boot
Während der Militärherrschaft von 1964 bis 1985 hatte Brasilien starke Nulear-Ambitionen. Damals wurden die beiden Kernkraftwerke gebaut, Pläne für ein Atom-U-Boot entwickelt. Es gab auch einen Geheimplan für den Test einer Atombombe im Urwald. 1990 wurde das Programm offiziell eingestellt, und der frühere US-Außenminister Colin Powell erklärte 2004: "Wir wissen, dass Brasilien in keiner Weise an Atomwaffen denkt."