"Und ich liebe dich!": Szenen einer Telenovela mit tragischem Ende. Max von Thun spielt im ORF-Zweiteiler "Kronprinz Rudolf" die Titelrolle, Vittoria Puccini seine Geliebte Mary Vestera. Foto: ORF/Petro Domenigg

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Francesca von Habsburg ist als Königin Marie-Henriette von Belgien zu sehen. Foto: ORF/Petro Domenigg

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Wolfgang Böck (Bratfisch), Foto: ORF/Petro Domenigg

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Bernd Jeschek (Count Hoyos), Johannes Silberschneider (Meissner), Foto: ORF/Petro Domenigg

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Omar Sharif (Canon), Max von Thun (Rudolf), Foto: ORF/Petro Domenigg

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Ein "TV-Ereignis" wirft seine Schatten voraus. Der ORF zeigt mit dem Zweiteiler "Kronprinz Rudolf" eine als Spielfilm verkappte Telenovela. Mit Starbesetzung und ohne Zwischentöne: Klaus Maria Brandauer, Max von Thun und Vittoria Puccini verzweifeln an sich selbst.

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Es muss die Ungeduld des Herzens gewesen sein, die den ORF verleitete, den TV-Zweiteiler Kronprinz Rudolf schon Donnerstagabend vor Journalisten zu präsentieren. "Semmelwarm" sei diese erste Fassung, verkündete stolz der ausführende Produzent, Andreas Kamm. So knusprig und frisch also, dass vorerst lediglich eine englische Fassung existiere. Außerdem könnten hier und da kleine Verbesserungsarbeiten vonnöten sein, entschuldigt sich Kamm: Eine Kaisersemmel bäckt sich eben nicht von selbst.

Legenden dagegen schon, und für deren Weiterbestehen ist man heute gleichwohl bereit, viel zu zahlen: Elf Millionen Euro kostete das jüngste Produkt aus Jan Mojtos Historienwerkstatt. Ein "TV-Ereignis", jubelt der ORF.

Was dann an jenem Donnerstagabend im muffigen Vorführraum des ORF-Zentrums folgte und was TV-Zuseher am 30. April und 1. Mai erwartet, ist nicht mehr und nicht weniger als eine als historischer Spielfilm getarnte Telenovela: Der Prinz und das Mädchen - ein Figurenpaar, wie es zurzeit in einem halben Dutzend halb garen Nachmittagsserien gern gesehen ist - produziert freilich für den Hauptabend: Ein mehrfach aufblitzender Kronprinzen-Hintern? Das wäre bei Julia - Wege zur Liebe undenkbar.

Abweichungen sind ohnedies erlaubt, sie trüben den Gesamteindruck kaum: Bekanntlich bleibt das Happyend aus. Und die Besetzung ist prominenter: Klaus Maria Brandauer spielt einen starrköpfigen, rundbauchigen Kaiser Franz Joseph, Alexandra Vandernoot eine bornierte, weltfremde Sisi.

Verklärte Mary

Den Part der süßen Mary Vetsera - deren makellose Schönheit, wie Fotos belegen, gelinde gesagt, pure Verklärung ist - spielt Vittoria Puccini, laut ORF ein "in Italien gefeierter Filmstar". Der finstere Premierminister Taaffe wird dargestellt von Christian Clavier, Omar Sharif spielt den befreundeten Künstler Hans Canon. Zwischentöne werden der Einfachheit halber unterlassen: In der Welt der Telenovelas haben sich die Charaktere zu entscheiden: grundgut oder abgrundtief schlecht.

In den Nebenrollen offenbart sich die Größe der heimischen Spielfilmszene: Karl Markovics in der Rolle des hinterhältigen Graf Bombelles, Nikolaus Paryla als treuer Diener Loschek, Wolfgang Böck als Rudolfs verbündeter Kutscher Bratfisch, Gabriel Barylli als Vetseras ungeliebter Bräutigam Prinz Braganza von Portugal, Albert Fortell als Morphium-Doktor Widerhofer, Johannes Silberschneider als Geheimdienstler und Otto Tausig als Kapuzinermönch. Sogar eine echte Adelige wurde engagiert: Francesca von Habsburg wollte ursprünglich eine Prostituierte spielen. Er habe sie davon abgehalten, erzählt Robert Dornhelm und gewährte ihr einen Kurzauftritt als Königin Marie-Henriette von Belgien.

Den Märchen-Rudolf spielt Max von Thun. Er mischt sich, wie von den Geschichtsbüchern geheißen, als schwärmerischer Jüngling unters Volk. Dort bricht ihm schon bald die pausbäckige Julia Jentsch das Herz, weiters sieht er traurige Kinderaugen, was ihn politisch formt. Fortan werden die Ringe unter den Augen dunkler.

Den scheiternden Strategen und in den Augen seines Vaters versagenden Sohn spielt Thun mit starrem Blick, hängenden Mundwinkeln und bis zur Karikatur vorgeschobenem Kinn: "Wenn ich nur die Macht hätte ..."

Dazwischen Fiaker, Kahlenberg, Oper, natürlich Walzer, Kleiderrauschen, Bleikristall-Luster, purpurne Stofftapeten und Ordengeklimper: Aristokratie, Highsociety - das war und ist mehr denn je Futter für eine nach permanenten Seitenblicken hungernde Gesellschaft, die zudem noch bequem ihre Sehnsüchte auf die beiden tragischen Helden projizieren kann. Privat entzieht ihm der Vater den Lebenssinn, politisch erledigt das der Premierminister. Wolfgang Böck lenkt den Fiaker nach Mayerling. Er singt: "Waunn i amoi stiab . . ." Letzte Worte: "Ich liebe dich so sehr, Rudolf!" - "Und ich liebe dich."

"Schrecklich, abscheulich"

"Schrecklich, abscheulich", schimpft Robert Dornhelm (Die zehn Gebote) ein wenig überraschend nach drei Stunden Kronprinz Rudolf selbstkritisch. Da sei noch einiges zu tun, gesteht er. Gut so, noch ist Zeit. Über das genaue Ausmaß seiner Beteiligung hält sich der ORF wie immer schamhaft bedeckt. Der Slowake Mojto, für üppige Verfilmungen historischer Stoffe wie Napoleon, Cäsar oder zuletzt Dresden verantwortlich, produziert für ein europäisches Publikum. Die Rechnung scheint schon vorab aufzugehen: Noch vor der ORF-Premiere kauften 15 Länder.

Nicht alle wollten aber beide Teile erwerben. Für die ARD etwa muss Dornhelm den Zweiteiler auf einen 90-Minuten-Film straffen. Der Schere zum Opfer fallen werden dabei mehrheitlich die "politischen" Szenen: Weil die ARD glaube, die politische Nebenhandlung sei dem deutschen Publikum nicht zumutbar, sagt Dornhelm. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 22./23.4.2006)