Grüße nach Wolfsburg: die Fazer.

foto: werk
Sie war mein erstes Motorrad, die Yamaha Fazer 600. Das ganze Ersparte der nächsten fünf Jahre kratzte ich zusammen, um mir die "Yamse" kaufen zu können. Wir waren ein Herz und eine Seele. Allerdings, wer mich kennt, weiß, meine Beziehungen dauern nicht allzu lange. Von der Fazer trennte ich mich nach knapp einem halben Jahr.

Sie ging eine Liaison mit einem hässlich gelben Espace ein. Ich vergewaltigte meinerseits das Auspuffrohr eines Skoda, wenn ich mich recht erinnere. Zwei Totalschäden und zwei Krücken waren die Folge.

Unlängst fragte mich Herr Fidler, ob ich mich nicht wieder einmal um eine Yamaha kümmern wolle. Die 600er Fazer stehe abholbereit da und er sei ja ohnedies mit der BMW beschäftigt.

Wenige Stunden später riss mich, schon mit der Fazer fahrend, ein Blitz aus den Gedanken. Sollte vor der nächsten Kurve noch der Regen einsetzen? An der Ampel untersuchte ich den Himmel. Kein Wölkchen weit und breit. Na, seltsames Wetterleuchten? Ich werde doch nicht zu schnell gewesen sein und der Herr Exekutive hat das bei der Gelegenheit gleich fotografisch festgehalten. Na, das musste ich mir anschauen und drehte um.

In der Tat lehnte ein weißes Wolfsburg-Auto mit soooo einer schwarzen Nase am Straßenrand und darin saß am Beifahrersitz ein Mann mit Kappe. Wohlan, dachte ich, wenn er mir so lieb zuzwinkert, dann will er bestimmt mit mir reden. Die Gelegenheit sollte ich ihm geben. Aber weit gefehlt. Der wollte gar nicht mit mir plaudern. Was er mir zu sagen hätte, stünde zur Gänze in der Anzeige, die ich demnächst bekommen würde, erklärte er unlocker und setzte sich wieder in seinen mobilen Fotoapparat.

Dass man mich, als vehementen Gegner des Schnellfahrens, genau deshalb überführt, ist furchtbar. Wie soll ich das meiner Mutter erklären? Und wie dem Fahrzeughalter Yamaha Austria?

Ich meine, die Fazer ist gewaltig, wenn sie einmal auf Touren kommt. Im unteren Drehzahlbereich geht alles noch sehr gemütlich zu, aber über 8.000 Touren kommt Freude auf. Dass man, wenn man im ersten Gang den freudigen Drehzahlbereich besucht, für Radaranlagen ein gefundenes Fressen ist, kann somit als aktenkundig gelten.

Um schweren Führerscheinfraß zu vermeiden, dreht man die Fazer also besser nur auf Landstraßen aus. Da wird es dann erst mit dem zweiten Gang heikel. 72 kW (98 PS) bei 12.000 und 63,1 Nm bei 10.000 Umdrehungen pro Minute sind halt kein Pappenstiel. Dass der Vierzylinder die Fazer weit über 200 km/h zu beschleunigen vermag, wundert niemanden.

Das Testeisen verfügte neben besagtem Motor auch über eine prächtige Bremserei. ABS. Ist schon gut zu wissen, dass man voll in die Zange greifen kann, ohne wieder durch einen Vorderradblockierer die Fazer mit einem Espace zu verheiraten. Der Herr Fidler will es mit der Fazer sogar zu einem Stoppie gebracht haben. Seine blutunterlaufenen Augen zeugten davon.

Dass man der Fazer beim letzten Facelift einen 180er Hinterreifen spendierte, war gelungen. Die Einbußen das Handling betreffend sind zu vernachlässigen. Die Fazer ist immer noch eines der wendigsten Motorräder und somit gefürchtet auf den Bergstraßen.

Optisch ist die Fazer sowieso eine Macht. Der hochgezogene Underseat-Auspuff macht schon ganz schön was her und im oberen Drehzahlbereich klingt er auch gar nicht so schlecht. Unter 5.000 Touren erinnerte mich der Klang ein wenig an den Staubsauger meiner Mutter. Die Frontverkleidung ist schnittig und vermag trotzdem den Fahrtwind zu bändigen. Wie schon gesagt, sehr gelungen, das Äußere. Nun, zumindest bis sich der Herr Fidler der Fazer annahm und sie kalt verformte.

>>>Die ganze Wahrheit

Aber nicht, dass er sich im Eifer, die schönere Anzeige zu bekommen, am Kurveneingang um einen Dackel gewickelt hätte. Nein. Am Stand hat er sie umgelegt. Jetzt weiß ich nicht, hat er sich nicht entscheiden können, ob er den Seiten- oder den Hauptständer ausfahren soll und hat einfach losgelassen, oder hat er gerade eine Vespa gesehen und im wahrsten Sinne des Wortes alles liegen gelassen. Die Sitzhöhe von 795 Millimetern ist ihm bestimmt nicht zum Verhängnis geworden. Egal. Tut ja jetzt auch nix mehr zur Sache, er hat sie eh gleich wieder aufgehoben, als er merkte, dass da etwas nicht ganz passte. Den abgebrochenen Spiegel hat er in der Verkleidung versteckt, die Kratzer hat er gelassen, wo sie waren, und trat den Rückzug an.

Die Frau Vejnoska, bei Yamaha Austria für Marketing und PR zuständig, hat eine ziemliche Freude mit uns gehabt, als wir die Fazer wieder zurück brachten. Das ausgedruckte E-Mail, in dem ich ihr von der Anzeige schon vorab erzählt hatte, hielt sie in Händen und schmunzelte.

Das Schmunzeln verging ihr aber, als Herr Fidler, wie einen Strauß Blumen, den Spiegel hinter dem Rücken hervor zauberte und ihn ihr mit den Worten "Sind’s nicht beunruhigt, liebe Frau Vejnoska, der Rest steht eh unten..." überreichte. Gerade das Gegenteil passierte natürlich. Sie war sofort beunruhigt, meisterte die Situation aber gekonnt. Ich muss mich demnächst um das gleiche Konflikt-Management-Seminar umschauen.

Wann es die nächste Test-Yamaha für uns geben wird, stand allerdings bei Redaktionsschluss noch nicht fest. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 27.4.2006)