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Jean-François Revel 1924-2006

Foto: AP/Duclos
Paris - Als Frankreichs "Philosoph des Antitotalitarismus" stellte Jean-François Revel die Leitideologien des 20. Jahrhunderts in Frage. In Kolumnen und Kommentaren beleuchtete der vom Linken zum Konservativen gewandelte Intellektuelle viele Jahre lang mit Witz und Geistesschärfe die Aktualität. In der Nacht zum Sonntag starb Revel im Alter von 82 Jahren in einem Krankenhaus bei Paris. Nach Angaben seiner Familie erlag er einem Herzproblem.

Präsident Jacques Chirac würdigte Revel als "aufmerksamen Wächter der Demokratie". Der "brillante Journalist und unabhängige Geist" habe "im Herzen der großen politischen und philosophischen Debatten unserer Zeit" geschrieben. Für die Académie française erklärte die Historikerin Hélène Carrère d'Encausse, Revel "habe einen krankhaften Schrecken vor dem "politisch Korrekten"" gehabt. "Der Kampf um die Worte war ein Element seines Kampfes um die Wahrheit."

Warum Philosophen?

Jean-François Ricard alias Revel wurde am 19. Jänner 1924 in Marseille geboren. In den vom Weltkrieg und dem Kampf um Kommunismus und Demokratie geprägten Jahren studierte er Philosophie an der Elitehochschule Ecole Normale Supérieure und lehrte (von 1947 bis 1963) in Algerien, Mexiko, Florenz und an französischen Hochschulen. Dann wandte er sich dem Journalismus und der Literatur zu.

Schon 1957 setzte sich Revel in dem Buch "Pourquoi des philosophes?" ("Warum Philosophen?") kritisch mit Marx und Heidegger auseinander. Einen internationalen Durchbruch feierte Revel 1971 mit "Weder Marx noch Jesus" über die kulturellen und politischen Auswirkungen der Umwälzungen infolge der 68er-Bewegung. In dem in mehr als 20 Sprachen übersetzten Werk erklärt Revel den Liberalismus und nicht den Marxismus zur großen Revolution des 20. Jahrhunderts.

"Feigheit der westlichen Demokratien"

Revel blieb dabei nicht im intellektuellen Elfenbeinturm. Als Leitartikelschreiber des Nachrichtenmagazins "L'Express" sowie - nach dem Bruch mit dem Eigner - als Chronist des konkurrierenden Blattes "Le Point" wandte er sich an eine breitere Öffentlichkeit.

Monatelang in den Bestsellerlisten standen Bücher wie "Die totalitäre Versuchung" und "So enden Demokratien". Das zweite Werk, in dem Revel die "Feigheit der westlichen Demokratien angesichts des sowjetischen Expansionismus" brandmarkt, brachte ihm unter anderem 1986 den Konrad-Adenauer-Preis ein.

Wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York setzte sich Revel mit der "Obsession des Antiamerikanismus" in Frankreich auseinander. In Deutsch erschien als letztes Werk Ende 2000 "Der Mönch und der Philosoph", ein Dialog mit seinem zum Buddhismus konvertierten Sohn Matthieu Ricard. (APA/dpa)