Reges Treiben und wichtige Themen beim Gewerkschafts­tag im Wiener Austria Center: Die Fusion der Gewerkschaften Metall und Textil sowie von Agrar, Nahrung und Genuss und die Bawag.

Foto: derStandard.at/Fercher
Schon am Eingang zum Austria Center ist deutlich, welche der beiden Gewerkschaften der "große Bruder" ist: Überall weisen Schilder den Weg zur Gewerkschaft Metall und Textil (GMT), beim Empfang kann man deren Sitzung über einen Fernseher verfolgen.

"Unsere Sitzung wird natürlich nicht übertragen", lästert eine Gewerkschafterin des "kleinen Bruders" Agrar, Nahrung und Genuss über die TV-Übertragung der GMT-Sitzung. Reichlich versteckt findet auch ihr "Gewerkschaftstag" statt - der letzte als eigenständige Gewerkschaft, denn bereits am Nachmittag sollten die beiden Teilgewerkschaften als fusionierte Gruppe tagen.

"Wie bei Olympia"

Unter den wenigen Funktionären, die eine Rauchpause vor dem Sitzungssaal abhalten, ist auch Vizevorsitzender Günter Denk. "Das ist wie bei Olympia: Die Fackel ist an einen neuen Vorsitzenden weitergereicht worden und wenn der sie dann zu den Metallern bringt, sind wir angekommen", witzelt er. Von der Fusion ist Denk überzeugt: "Sonst hätten wir bald zusperren müssen."

Ein völlig anderes Bild bietet sich den Besuchern im zweiten Stock: Reges Treiben außerhalb des Tagungssaals, wo bereits die ersten Seideln ausgeschenkt werden. Zahlreiche Infostände sind hier aufgereiht, bei denen sich die Gewerkschaftsmitglieder über die Arbeit von amnesty international oder den Gegengipfel zum bevorstehenden EU-Lateinamerika-Gipfel informieren können, es werden Fair-Trade-Produkte ebenso angepriesen wie die Arbeit der Arbeiterkammer oder der Wiener Städtischen.

"Stärkung"

Auch bei der GMT begrüßt man die Fusion: "Damit wird die Gewerkschaft gestärkt", begründet ein Kärntner Funktionär seine Zustimmung. Dass die Bereiche Metall und Genuss inhaltlich wenig miteinander zu tun haben, ist seiner Ansicht nach nicht der Punkt, wichtiger sei, dass damit auch Parallelstrukturen abgebaut würden.

Weniger erfreut die Reaktion, wenn man auf das Thema Bawag zu sprechen kommt. Offiziell sei die Affäre zwar kein Thema beim Gewerkschaftstag, inoffiziell aber werde darüber natürlich debattiert: "Es ist wie eine schwarze Wolke, die über dem Kongress hängt", meint der Funktionär. Die Entscheidung von Ex-ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch hält er für richtig, allerdings sei es ein Fehler gewesen, dass man die Verantwortlichen so einfach habe davon kommen lassen.

Afghanistan

"Der Kongress könnte in Afghanistan stattfinden und es würde darüber geredet werden", meint auch ein älterer Kollege aus Kärnten. Für ihn sind die Vorgänge in der Bawag "schlichtweg eine Sauerei." Allerdings müsse man differenzieren, denn dass Verzetnitsch die BAWAG gerettet habe, sei absolut richtig gewesen, ebenso aber auch sein Rücktritt.

Überraschendes hört man über den Rücktritt von Metallerchef Rudolf Nürnberger: "Das ist kein Rücktritt, wenn schon, dann ist er abgetreten", meint ein Wiener Gewerkschaftsfunktionär. Denn dass Nürnberger nicht mehr lang Vorsitzender sein würde, sei auch schon vor der Bawag-Affäre klar gewesen. Nun trete er halt ein Jahr früher ab, einen Zusammenhang zur Bawag gebe es nicht.

Futter

Sichtlich gequält reagiert auch Maria M., eine Funktionärin aus Salzburg, auf das Thema Bawag. Natürlich sei es nicht leicht gewesen, das den Menschen zu erklären, meint sie, fügt aber hinzu: "Richtig leid tun mir aber die Angestellten in den Bawag-Filialen, denn die müssen sich jetzt Dinge anhören und können überhaupt nichts dafür", meint sie. In ihrem Betrieb sei alles gut verlaufen, man habe kein einziges Mitglied verloren. Mit Sorgen sieht sie den Nationalratswahlen im Herbst entgegen, denn der Bawag-Skandal sei natürlich ein ideales Futter für den politischen Gegner. Aber es helfe alles nichts, sondern man müsse versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Kämpferisch die Reaktion eines jungen Gewerkschaftsmitglieds, das bereits zum dritten Mal am Gewerkschaftstag teilnimmt: "Dass die Bawag die Gewerkschaftsarbeit überschattet, das hätte der politische Gegner wohl gern, aber da hat er die Rechnung ohne uns gemacht." So weit wolle er es aber nicht kommen lassen, die Gewerkschaftsarbeit müsse im Vordergrund bleiben: "Für mich ist das hier eine Motivation, wenn der Gewerkschaftstag vorbei ist, weiß ich wieder, was es zu tun gibt."