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Sein Nimbus als linker Hoffnungsträger ist angekratzt: Der brasilianische Präsident "Lula" da Silva.

Foto: AP Photo/Virginia Mayo

Infografik Brasilien - politische Landschaft Lateinamerikas

Grafik: DER STANDARD
"Wien war schon immer ein Treffpunkt der Zivilisationen, Ideen und Kulturen", meinte der brasilianische Präsident Luiz Inácio "Lula" da Silva bevor er zum EU-Lateinamerika-Gipfel am Freitag und zum Staatsbesuch am Samstag nach Wien reiste. Der Gipfel sei "eine unvergleichliche Chance, unsere Prinzipien und Werte in konkrete Handlungen umzusetzen". Lula stehen aber vor allem in seiner Heimat spannende Zeiten bevor. Offiziell hat er noch gar nicht bekannt gegeben, ob er zur Präsidentschaftswahl im Oktober erneut antreten will.

Doch die Ankündigung ist nur Formsache. In den letzten Umfragen liegt der frühere Metallgewerkschafter deutlich vor seinem Herausforderer Geraldo Alckmin, dem sozialdemokratischen Ex-Gouverneur von São Paulo. Pausenlos reist der Präsident durch das Land. Mal weiht er einen fertig gestellten Straßenabschnitt ein, mal eine Windkraftanlage.

Lula hat den Korruptionsskandal, den seine Vertrauten aus der Parteispitze der Arbeiterpartei PT zu verantworten haben, bislang mit großem Geschick überstanden. Durch den Stimmenkauf im Parlament und schwarze Wahlkampfkassen fühle er sich verraten, sagte er letztes Jahr. Die heftige Kampagne zahlreicher Medien verheißt für den Wahlkampf jedoch eine Schlammschlacht.

Image angekratzt

Auch sein Nimbus als linker Hoffnungsträger ist angekratzt. Das liegt nicht nur an der moralischen Krise der PT, sondern auch an der konservativen Finanzpolitik. Lulas Sparkurs freut vor allem Banken und Finanzmärkte. Hohe Zinsen würgen das Binnenwachstum ab, der niedrige Dollar macht den Exporteuren zu schaffen. Strukturmaßnahmen wie eine Land- oder Steuerreform blieben aus, im Parlament dominieren die konservativen Parteien. Andererseits kam Lula die Weltkonjunktur mit hohen Rohstoffpreisen entgegen. Von seinem Antihungerprogramm, monatlichen Haushaltszuschüssen von umgerechnet 36 Euro, profitieren bereits neun Millionen Familien, bis zum Wahltag kommen noch einmal zwei Millionen dazu.

Seine Politik hat ihm den Beifall von Weltbank und des Internationalen Währungsfonds eingebracht - und die Kritik der katholischen Bischöfe, die auf einen sozialen und "ethischen" Schub gehofft hatten. Die rechte Opposition hingegen kann schwer vermitteln, was sie anders machen würde. Linke trösten sich mit der Außen- und Handelspolitik. Einseitige Zugeständnisse an die USA oder die EU lehnt Lula ab, stattdessen setzt er Allianzen mit Indien, Südafrika oder den südamerikanischen Nachbarn.

Obwohl ihm Chávez und Morales als linke Ikonen den Rang abliefen, sei die Brasilien-Wahl für die Zukunft Lateinamerikas sehr bedeutsam, meint der Soziologe Emir Sader: "Gewinnt Lula, geht die Integration weiter, verliert er, bekommen die USA treue Verbündete zurück." (DER STANDARD, Printausgabe 13./14.5.2006)