Erich Scheidl (li.) und Patrick Kovacs haben ein Verfahren entwickelt, das falsche Punzen - oben: gefälschte Marken der Wiener Werkstätte - enttarnt.

Foto: Kovacs
Wien - Das Ergebnis kommt bisweilen einer brutalen Entzauberung gleich. "Schwarz auf Weiß" werden dem Besitzer eines kunstgewerblichen Objektes da die Illusionen geraubt. Viel zu viel hat der für die mit einer Wiener-Werkstätte-Marke (W.W.) ausgestattete Trouvaille bezahlt.

Weil selbst das Vorhandensein sämtlicher charakteristischer Marken noch kein Beweis für die Echtheit ist. Denn das, was das Auge an der Oberfläche wahrnimmt, muss auch am Punzengrund bestätigt werden: "Anders ausgedrückt wird von der Marke ein Abdruck aus Kunststoff gefertigt", schildert Erich Scheidl, "das aus dieser Dreidimensionalität ermittelte Gegengesicht funktioniert anschließend wie ein zweidimensionaler Stempel."

Der gelernte Metallrestaurator ist der Vater des Verfahrens. Fünf Jahre Entwicklungsarbeit haben er und der Wiener Kunsthändler Patrick Kovacs nun hinter sich gebracht, jetzt geht man damit an die Öffentlichkeit. "Unser System ist da, um das Echte zu beweisen", erklärt Patrick Kovacs, "das Nebenprodukt, das Falsche, sortiert sich selbst aus."

Die Basis dafür sind Reihenuntersuchungen, wie sie in großem Umfang an Wiener-Werkstätte-Objekten aus dem Österreichischen Museum für angewandte Kunst und aus Privatsammlungen stattgefunden haben. "Punzen haben ja naturgemäß ein Ablaufdatum", erklärt Scheidl. Gemeint sind durch mehrfachen Gebrauch entstehende Fehlstellen. Und auch die über mehrere Jahre gebräuchliche dreizeilige Wortmarke der Wiener Werkstätte wirkt nur auf den ersten Blick gleich.

Im Detail gibt es im wahrsten Sinn des Wortes gravierende Unterschiede. Beim Buchstaben "R", lüftet Kovacs eines der Geheimnisse. Das Ergebnis der in den vergangenen Jahren vorgenommenen Untersuchungen wird in einer Mappe gehütet: Hier sind jene Lebenszyklen der W.W.-Punzen dokumentiert, die nun eine weit präzisere Datierung ermöglichen als bisher.

Die Kosten für eine solche Analyse beziffert Kovacs mit rund 150 Euro. Dafür gibt es eine mündliche Aussage, für 300 Euro ein schriftliches Gutachten. Das fachkundige Auge bleibt dennoch ein Muss. Bei verfälschten Arbeiten etwa, die in dieser bestimmen Form von der Wiener Werkstätte nie produziert wurden, sondern erst später zusammengebaut wurden.

Vermeintlich echt

Echte Punzen sind eben auch nicht das Maß aller Dinge, wenn die Harmonie in der Komposition fehlt oder die Proportionen schlichtweg nicht stimmen. Und das weiß niemand besser als Ernst Ploil. "Aus Verlassenschaften werden alte Silbertrümmer gekauft, die irgendwie an den Stil der Wiener Werkstätte erinnern", schildert der Sammler, Jugendstilexperte und Teilhaber des Auktionshauses "im Kinsky", "und nachträglich punziert."

Auch so entstehen Fälschungen, die mittlerweile zum Alltag von Jugendstil-Experten auf der ganzen Welt gehören. Ein Griff in die Schublade und Sammler Ernst Ploil legt eine kleine Kupferplatte auf den Tisch: Darauf sind neben Versionen der charakteristischen Rosenmarke auch solche des legierten Wiener-Werkstätte-Monogramms, sowie jene von Josef Hoffmann und Kolo Moser zu sehen. "Das Portfolio eines Fälschers", schmunzelt Ploil - gefunden wurde die bemerkenswerte Kupferplatte am Wiener Flohmarkt. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2006)