In diesem Turm, auf den 64 hochwirksame Brennspiegel gerichtet sind, werden Experimente zur Gewinnung, zur Lagerung und zum Transport von Wasserstoff aus Sonnenenergie durchgeführt.

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"Im Vergleich zu wissenschaftlichen Artikeln", sagt Michael Epstein, "sind Patente zweitrangig. Schließlich sind die Artikel die Grundwährung der Wissenschaft." Entsprechend voll gerammelt sind die Regale seines Büros mit Ordnern und wissenschaftlichen Texten aller Art. Dass der Chefingenieur für Solartechnologie am Weizmann-Institut auf den Vorrang für Grundlagenforschung beharrt, mag überraschen.

Vor allem, wenn man weiß, dass das Weizmann-Institut rund 70 bis 80 Patente jährlich anmeldet und zurzeit mehr Geld aus Patentrückflüssen und Lizenzierungen lukriert als jede andere Universität weltweit, nämlich jährlich rund 100 Millionen Euro.

Dass sich der Solarenergieexperte vergleichsweise wenig um verwertbare Anwendungen kümmert, verwundert noch mehr, wenn man erfährt, woran er am so genannten Heliostat arbeitet, einer der drei modernsten solaren Forschungsanlagen weltweit: Seit mittlerweile zehn Jahren werden in diesem Turm, auf den 64 hochwirksame Brennspiegel gerichtet sind, Experimente zur Gewinnung, zur Lagerung und zum Transport von Wasserstoff aus Sonnenenergie durchgeführt, also einer der "heißesten" und saubersten Lösungen der Energieprobleme der Zukunft.

Wenn vom Weizmann-Institut die Rede ist, dann lassen sich Superlative einfach nicht vermeiden. Schon gar nicht, wenn Ilan Chet in seinem verhältnismäßig bescheidenen, aber mit etlichen Auszeichnungen und alten Mikroskopen geschmückten Büro über "seine" Universität spricht. "Gemeinsam mit Harvard und dem M.I.T. sind wir zum Beispiel eines der drei führenden Zentren in Systembiologie", erklärt der Präsident stolz, nicht ohne hinzuzufügen, dass auch er selbst in diesem interdisziplinären Forschungsfeld tätig ist.

In dieser Kooperation über Fächergrenzen hinweg liegt auch eine der vielen großen Stärken der Universität, an der - so wie künftig in Maria Gugging - nur Dissertanten, und zwar sorgfältig ausgesuchte, studieren dürfen.

Ganz in diesem Sinne steht dem aktuellen Jahresbericht des Instituts auch ein arabisches Sprichwort voran: "Berge mögen sich niemals treffen, Menschen aber sehr wohl." Tatsächlich arbeiten kaum sonst wo auf der Welt Forscher aus verschiedenen Disziplinen so eng zusammen wie auf diesem Campus. So wie zum Beispiel der organische Chemiker Joseph Sperling und der Physiker und Nanoelektronikexperte Israel Bar-Josph.

Der Vorstand des Departments für Festkörperphysik, der seine Besucher ganz leger in Jeans, kurzem Hemd und Trekkingsandalen empfängt, war eines Tages von seinem Kollegen um Rat gebeten worden, wie man mithilfe von Nanotechnologie die genetischen Informationsprozesse in der Zelle besser untersuchen könnte. Heraus kam letztlich eine ganz andere Idee, die womöglich zum kleinsten Nanotransistor bis dato und zu einer Revolution in der Nanoelektronik führen wird.

Nicht zufällig rangiert das Weizmann-Institut aufgrund solcher eben nicht nur zufälligen Begegnungen in Forschungsfeldern wie Nanotechnologie oder den Neurowissenschaften, wo Interdisziplinarität gefragt ist, unter den Top Ten. Das ist aber nur eines seiner vielen Erfolgsgeheimnisse, über die zwar leicht zu reden ist, die aber zum Teil doch so schwer zu kopieren sind.

Einige davon wird man sich ganz sicher nicht abschauen können, wie zum Beispiel das Fundraising: Mittlerweile kommen mehr als 20 Prozent des jährlichen 200-Millionen-Euro-Budgets von privaten Spendern aus der ganzen Welt, denen am Campus mit hunderten von Ehrentafeln gedankt wird. Ein anderes offensichtliches Geheimnis ist die strenge Personalrekrutierung, die man sich jedenfalls auch in Maria Gugging zum Vorbild nehmen sollte.

"Fakultätsmitglied bei uns zu werden ist sehr schwierig", erklärt Präsident Chet, denn man wolle nur die Besten. Deshalb müssten Kandidaten auch einen harten Auswahlprozess durchlaufen, um ihre Exzellenz zu beweisen. "Jene, die es geschafft haben, können dann aber tun, was immer sie wollen." Wie Michael Epstein und Israel Bar-Joseph. (DER STANDARD, Printausgabe 31.5.2006)