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Während die Bauern in Entwicklungsländern ohne staatliche Förderung auskommen müssen, subventioniert die EU ihre Landwirtschaft noch immer mit Milliardenbeträgen. Und da aus der EU zu Dumpingpreisen importiert wird, bleiben die Bauern vor Ort auf ihren Waren sitzen.

Der senegalesische Bauer El Hadj Hane kennt das aus eigener Erfahrung. Doch auch eine EU-Marktöffnung, wie derzeit diskutiert, kann keine Lösung für die Probleme der Entwicklungsländer sein, meint El Hadj Hane im derStandard.at-Interview, vielmehr bräuchten die Entwicklungsländer dringend eine funktionsfähige Marktregulierung, um die kleinbäuerlichen Strukturen zu stärken und zu schützen.

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derStandard.at: Unter welchen Voraussetzungen könnte Senegal die eigenständige Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gewährleisten?

El Hadj Hane: Derzeit sind wir nicht in der Lage, uns selbst zu versorgen. Mehr als 70 Prozent unseres Gesamtverbrauchs wird durch Importe gedeckt. Die erste Bedingung auf dem Weg hin zur Eigenversorgung wäre sicher, die Landwirtschaft von Regierungsseite mehr zu unterstützen. Der Großteil unserer Bevölkerung arbeitet in diesem Bereich, allerdings fehlt die Nachhaltigkeit.

derStandard.at: Wo sehen Sie die größten Probleme in Westafrika?

El Hadj Hane: Die Problematik hat ihre Wurzeln in längst vergangenen Zeiten. Eine lange Reihe von Fehlern führt zu der Situation, die wir jetzt haben. Eine der größten Fehlentscheidungen war es, den Fokus auf den Export zu legen. Den Bauern wurde vor allem der Zugang zu Erdnuss-Saatgut erleichtert. Wurden Erdnusspflanzen angebaut, dann war eine Unterstützung durch Chemikalien garantiert, die wiederum den Boden zerstörten. Dann war das Erdnussöl, das Senegal exportierte, plötzlich am Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsreif. Frankreich, einer der Hauptabnehmer, hatte andere Quellen und Senegal blieb auf seinem Erdnussöl sitzen.

derStandard.at: Was können die Bauern von ihrer, im Jahr 2000 demokratisch gewählten Regierung erwarten?

El Hadj Hane: Seitdem Senegal 2000 in das Entschuldungsprogramm der Weltbank aufgenommen wurde, bemüht sich die Regierung überhaupt nicht mehr um die Armutsbekämpfung im Land. Die Bauern stehen jetzt alleine und ohne Lobby da. Sie haben keine Möglichkeit, ihre Produktion einem internationalen Standard anzupassen und deshalb auch keinerlei Chancen am Markt. Sie haben nicht mal genügend Grundnahrungsmittel für sich selbst.

derStandard.at: Die EU-Mitgliedsländer haben im Vertrag von Maastricht vereinbart, dass alle politischen Maßnahmen der EU, die Entwicklungsländer betreffen, Entwicklungsziele beachten und der Armutsminderung dienen müssen. Schlägt sich das in der konkreten EU-Agrarpolitik nieder?

El Hadj Hane: Wir begrüßen natürlich eine Reduktion der Exportsubventionen. Aber die Exportsubventionen sind nur ein Problem, der offene Markt vor Ort ist ein anderes. Wenn bei uns jeder jederzeit alles und noch dazu viel billiger importieren kann, dann ist das ebenfalls ein unüberwindbares Hindernis für die lokalen Bauern. Ich habe zum Beispiel massive Absatzprobleme bei meinen Zwiebeln, weil die Zwiebeln aus den Niederlanden einfach billiger sind.

Wir bräuchten dringend eine Marktregulierung, die heimischen Agrarmärkte müssen geschützt werden. Schließlich dominiert hier die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Die Arbeitsbedingungen im Süden sind vollkommen andere. Im Norden kann ein Bauer innerhalb von zwei Monaten eine Tonne Zwiebel produzieren. Im Süden produzieren dieselbe Menge aber 20 bis 30 Bauern.

derStandard.at: Kann die Marktöffnung für Entwicklungsländer, wie sie die Europäische Union plant, eine Lösung sein?

El Hadj Hane: Die Intention der EU-Politik ist die Handelsliberalisierung und der freie Markt für sich selbst. Und von einer Marktöffnung würden vor allem die großen Agrar- und Nahrungsmittelkonzerne profitieren, die den weltweiten Handel ohnehin bestimmen.

Äußerste Priorität hätte es, den Regierungen direkt zu helfen, Strukturen aufzubauen. Und unserere Regierungen müssen verstehen, dass es von höchster Wichtigkeit ist, die Bauern in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Sie müssen in der Lage sein, ausreichend und in guter Qualität zu produzieren.

derStandard.at: Wo sehen Sie einen Ausweg?

El Hadj Hane: Ich bin optimistisch. Das wichtigste ist, gute Kommunikation zu allen Akteuren aufzubauen, die Verhandlungen nicht den Eliten zu überlassen. Bauernorganisationen müssen und wollen involviert werden. In Westafrika gibt es große BZusammenschlüsse, die sich stark engagieren. Im Senegal beginnt sich der Dialog zu öffnen. Wir bemühen und auch, in den internationalen Handelsorganisationen eine Stimme zu bekommen und setzen alles daran, unser Gewicht, unser Mitwirken noch zu verstärken.