Die ÖVP ist gegen eine geheime Wahl der ORF-Führung durch den ORF-Stiftungsrat, erklärte ÖVP-Klubobmann und -Mediensprecher Wilhelm Molterer am Dienstag auf Anfrage der APA. "Das ORF-Gesetz ist ein gutes Gesetz, es bleibt daher derzeit so, wie es ist. Ich gehe davon aus, dass die Stiftungsräte ihre verantwortungsvolle Entscheidung auch öffentlich begründen können", so Molterer.

Die Grünen hatten zuvor angekündigt, im Parlament einen Antrag auf Änderung des ORF-Gesetzes einbringen zu wollen. Kernpunkt: Die Wahl des ORF-Generaldirektors durch den ORF-Stiftungsrat soll künftig wieder in geheimer Abstimmung erfolgen. Die SPÖ signalisierte Zustimmung. "Keine starken Feelings" für die Initiative der Grünen empfindet indes der designierte BZÖ-Obmann Peter Westenthaler. "Ich kenne diesen Antrag nicht, man muss sich daher alles im Detail anschauen", so Westenthaler. Man wolle zuerst die "Intention" der Grünen prüfen.

"Stiftungsräte sollen frei nach ihrem Gewissen abstimmen können"

Zustimmung von unerwarteter Seite kam von Kurt Bergmann, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat. "Angesichts der öffentlichen und politischen Diskussion war und bin ich ein Vertreter der geheimen Wahl. Ich würde das begrüßen", so Bergmann. Bei ORF-Wahlen werde Druck ausgeübt. "Stiftungsräte sollen frei nach ihrem Gewissen abstimmen können, und das geht am besten in geheimer Wahl."

Geheime Abstimmung bis 1998

Bis 1998 erfolgte die Wahl der ORF-Intendanten in geheimer Abstimmung durch die Mitglieder des damaligen ORF-Kuratoriums. 2001 wurde - nach der ORF-Reform von Schwarz-Blau - erstmals offen gewählt. Generaldirektorin wurde mit den Stimmen von ÖVP- und FPÖ-nahen Vertretern Monika Lindner.

Ein Blick in die Geschichte der ORF-Wahlen zeigt, dass bei geheimen Abstimmungen zur Wahl des ORF-Chefs vor allem SPÖ-Stiftungsräte beziehungsweise -Kuratoren ein "abweichendes" Wahlverhalten zeigten. So wurde der konservative Gerd Bacher gleich zwei Mal gegen eine SP-Mehrheit im Kuratorium zum Generalintendanten gewählt.

"Wenn sich Betriebsräte ihren Chef selber wählen dürfen"

Bacher zog 1978 die SPÖ-Betriebsräte auf seine Seite. "So einfach geht das, wenn sich Betriebsräte ihren Chef selber wählen dürfen", meinte dazu der frühere ORF-Generalintendant Thaddäus Podgroski. "Kreisky in Paris, Benya in Sofia, Bacher im ORF", titelte damals die "Kärntner Volkszeitung". SPÖ-Zentralsekretär und -Kurator Karl Blecha ließ sogar einzelne Kuratoren auf das "Augenlicht" ihrer Kinder schwören, dass sie Bacher nicht unterstützt hatten.

1990 holte sich Bacher nochmals die Stimmen von SPÖ-Vertretern im obersten ORF-Aufsichtsgremium. Auch damals wurde vermutet, dass SPÖ-Betriebsräte die Seiten wechselten. Bei der ersten offenen Wahl im Jahr 2001 zeigte lediglich ein Stiftungsrat ein anderes Wahlverhalten als der Rest des "Freundeskreises": der VP-nahe Vertreter des Landes Tirol, Andreas Braun. (APA)