Gregor Zivic versetzt sich selbst in absurde Situationen, findet sich immer wieder inmitten surrealer Interieurs

Foto: Zivic/MUMOK
Präsentiert werden auf fünf Ebenen des Hauses gut 200 Fotos, Filme und Videos von 73 Künstlern.


Wien - "Fotografie, Film und Video heute" lautet der Untertitel einer Ausstellung, die Fotografie, Film und Video der vergangenen 30 Jahre versammelt, und also auf das Gestern Bezug nimmt. "Why Pictures Now" steht als Frage ohne Betonung ihres Endes durch das entsprechende Satzeichen über der nun breit dargebrachten Kollektion, mit der das Wiener Museum Moderner Kunst das Erreichen des Climax' seines "Jahres des Sammelns" verkündet. Und also sollte Schluss sein mit der Plateauphase. Immerhin konnte sich das Museum unter Direktor Edelbert Köb seit 2002 gut 400 Arbeiten zum Schwerpunkt Lichtbild und Video einverleiben.

Börsianern dient der Climax (CLX) der Beurteilung des Gesamtmarktes, das Museum Moderner Kunst zeigt seine Beute an Bröseln des Kuchens. Durchaus entscheidende Brösel finden sich da, mittlerweile nachgerade klassische Ingredienzien, die jede Infragestellung der generellen Sinnhaftigkeit der Bildproduktion alt wie immer aussehen lassen.

Kurzum: Es ist alles da, was gemeinhin zu besitzen als weltläufig gilt, es findet sich ein Standard-Mix aus Becherschülern an Nan Goldin'schen Betroffenheitsposen nebst ausgiebigen Innen- wie Außenraumbetrachtungen. Und es findet sich das Standard-Repertoire zum Thema "Grenze" und versuchter Überschreitung selbiger. Es wurde von allen Seiten her des Körpers und der Denkwürdigkeiten des Lebens in einem solchen gedacht, es wurde auf den stets fordernden Umgang mit den eigenen Identitäten sowie denen Dritter Bezug genommen. Und schließlich wurde der Betrachter ordentlich in die Pflicht genommen, seinen Blick zu hinterfragen, und tunlichst darauf zu achten, sich nicht überrumpeln zu lassen. Weil ja schließlich allerorts alles ein fake sein kann oder ein Trugbild – gerade jetzt, wo das Fälschen von den technischen Anforderungen her schon ein jeder Hausmeister beherrscht.

Wozu also die schüchterne Frage? Wozu die Tarnung hinter Louise Lawlers Arbeit "Why Pictures Now"? Wozu der devote Verweis auf 80er-Jahre-Institutionskritik? Gerade jetzt, wo ein ganzes Jahr lang fleißig Übungen zum Selbstbewusstsein als Institution abgehalten wurden. Wieso kann nicht – wie einst in Düsseldorf – schlicht die Behauptung in den Raum gestellt werden: "Von hier aus!" Wieso wird nicht mit dieser oder einer anderen Schau aufgezeigt, wieso sagt da nicht wer "Hallo, ich bin's, das MUMOK!" Als Summe aus einem "Jahr des Sammelns" wird – elegant und gekonnt, am State of the Art der Jahresberichte – verkündet, dass ein Anschluss gefunden wurde, dass es nun auch hier gibt, was es andernorts auch gibt. Es wird demonstriert, dass der einzig korrekte Charakterzug einer Sammlung der "internationale" ist. Alles andere an Charakter scheint schon zu gefährlich zu sein, eine „Behauptung“ sowieso.

Thomas Struths "Audience"-Serie empfängt die Besucher, die später Jeff Wall finden werden, und Thomas Ruff und Eva Schlegel und Thomas Demand und auch Erwin Wurm (diesmal mit einem Hinweis auf randständige Wassersportarten aus der Serie "Instructions on how to be politically incorrcet: Pee on someone's rug")

Und selbstverständlich auch wurden "außerwestliche KünstlerInnen integriert, um der zunehmenden Globalisierung der Gesellschaft und des Kunstbetriebes Rechnung zu tragen". "Außerwestlich": Die Begriffswahl veranschaulicht die Schwierigkeiten am Weg zum eigenen Profil. Offensichtlich wollen alle nur irgendwie denkbaren Positionen nicht nur berücksichtigt und befriedigt werden, sondern werden auch kuriose – in dem Fall verbale – Anstrengungen unternommen, nur ja nicht anzuecken.

"Why Pictures Now" ist die bislang umfangreichste Ausstellung im Museum Moderner Kunst. Gezeigt werden mehr als 200 Arbeiten von 73 Künstlern. Die Schau ist in drei Themenblöcke gegliedert: Die Analyse des Blicks und und sein Verhältnis zum Status des Medialen Bildes, institutionskritische Arbeiten und die Beschäftigung mit ebenso architektonischen Raumgrenzen wie solchen, die kulturelle Bruchlinien markieren. Ein spezieller Themenkomplex zeigt ausgewählte Beispiele inszenierter narrativer Fotografie: David Lamalas, Jeff Wall und James Colemans in Überblendtechnik arrangierte Diashow "Lapsus Exposure" - eines der herausragendsten und aufwändigsten Projekte in der künstlerischen Fotografie der letzten Jahrzehnte. Colemans Diashow wurde zwischen 1992 und 1994 realisiert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.6.2006)