Deutschland muss wahrscheinlich die Tabakwerbung in Zeitungen, Rundfunk und Internet verbieten. Vor dem Europäischen Gerichtshof erlitt die deutsche Regierung am Dienstag einen Rückschlag bei ihrer Klage gegen das EU-weite Werbeverbot für Zigaretten. Der das Gericht beratende Generalanwalt schlug in Luxemburg vor, die Klage abzuweisen.

Scharfe Kritik von Werbewirtschaft

Werbewirtschaft, Verleger und Zigarettenindustrie übten scharfe Kritik und setzten darauf, dass der Gerichtshof dem Generalanwalt nicht folgt. Der deutsche Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) kündigte an, unverzüglich ein Gesetz zur Umsetzung des Werbeverbots einzubringen. Andernfalls will die EU-Kommission ihrerseits in zwei Wochen klagen. Die Richter folgen Empfehlungen der Generalanwälte meistens.

Mit der noch von der früheren rot-grünen Regierung in Deutschland eingereichten Klage versucht Deutschland die Richtlinie zum Werbeverbot zu kippen. Sie war vor gut drei Jahren von einer Mehrheit der anderen EU-Staaten und dem Europäischen Parlament beschlossen worden. Die alte Regierung hatte ihre Klage damit begründet, dass die EU zu einem solchen Verbot nicht befugt sei, weil es um Gesundheitsschutz gehe.

Freie Waren- und Dienstleistungsverkehr könnte behindert werden

Generalanwalt Philippe Leger widersprach der deutschen Sicht. Unterschiedliche Beschränkungen der Tabakwerbung in den einzelnen EU-Staaten könnten dazu führen, dass der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr behindert werde. Die Richtlinie beseitige Hemmnisse, weil sie auch darüber hinausgehende Beschränkungen von Sponsoring und Werbung verbiete. Sie falle deshalb in die Regelungskompetenz der EU über den Binnenmarkt.

Seehofer betonte, es gehe in dem Streit um die Regelungskompetenz zwischen EU und Mitgliedstaaten und nicht darum, Nichtraucherschutz zu blockieren. "Der Nichtraucherschutz ist mir ein besonderes Anliegen." Seehofer machte wie auch das deutsche Wirtschaftsministerium aber deutlich, dass er an der Klage festhält. Das Gesetz zum Tabakwerbeverbot werde den Ausgang des Rechtsstreits nicht vorwegnehmen.

Kommision erwägt Klage

Falls das Gesetz nicht schnell kommt, will die Kommission ihrerseits gegen Deutschland klagen. Verbraucherkommissar Markos Kyprianou werde der Kommission dann am 28. Juni die Klage empfehlen, sagte sein Sprecher. Die Richtlinie hätte eigentlich seit August 2005 in nationales Recht umgesetzt sein müssen. Kein Land liege dabei weiter zurück als Deutschland.

Unternehmensverbände forderten die Bundesregierung auf, vor der Umsetzung der Richtlinie auf das endgültige Urteil zu warten. Dieses wird in einigen Monaten erwartet. Sie warnten, dass eine Niederlage vor dem EuGH zu weiteren Werbeverboten führen könne. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger kritisierte, die Werbung werde wegen der Gefahren des Rauchens "zum Sündenbock für Fehlverhalten der Gesellschaft" gemacht. "Werbeverbote sind Denkverbote", sagte Hans-Joachim Fuhrmann als Vertreter der Zeitungsverleger.

Tabakwerbeverbot bedeutet Einbußen von 118 Millionen Euro

Das Tabakwerbeverbot bedeute für die betroffenen Medien Einbußen von 118 Mio. Euro, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Georg Wronka. Er sprach von "Zensur-Übergriffen der EU", die es dann auch bei weiteren Branchen wie für alkoholische Getränke, einzelne Lebensmittel - etwa mit hohem Zuckergehalt - und für Pkw geben werde. Das bedrohte Werbevolumen liege bei insgesamt 2,7 Mrd. Euro. Kyprianous Sprecher wies dies zurück. Weitere Werbeverbote seien nicht geplant. Die Kommission arbeite aber an einer Verfeinerung der Nährwertangaben.

"Dies ist ein schwarzer Tag für den deutschen Tabakhandel", erklärten der Einzelhandelsverbandes HDE und der Bundesverband des Tabakwareneinzelhandels (BTWE) in einer gemeinsamen Erklärung. "Das Werbeverbot gefährdet Umsatz und damit Arbeitsstellen in der Branche." Wolfgang Oberrecht vom Verband der Cigarettenindustrie (vdc) sagte, Werbung diene vor allem dazu, Marktanteile zu verschieben. Ein Verbot "hätte schon die Zementierung von bestimmten Marktanteilen großer Firmen zur Folge". Die wirtschaftlichen Folgen würden eher in Handel und Werbebranche auftreten als in der Zigarettenindustrie selbst. Die Grünen im EU-Parlament sprachen von einem Sieg für den Verbraucherschutz.

"Die Stellungnahme ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass Europa ... nicht vor den Interessen der Tabakindustrie einknickt", erklärte die Abgeordnete Hiltrud Breyer. Die Richtlinie sieht vor, dass neben Tabakwerbung in Presse, Internet und Rundfunk auch das Tabak-Sponsoring von Rundfunkprogrammen verboten wird. Werbung im Fernsehen ist bereits untersagt. Verboten wird zudem das Sponsern von Veranstaltungen mit grenzüberschreitendem Charakter. (APA/Reuters)