Joan As Police Woman: Real Life (Pias/Edel)

Foto: Pias/Edel

Der im Timing nachlässige Gesang, sein nonchalanter, gleichzeitig unschuldig, aber irgendwie doch verrucht anmutender Tonfall - man verfällt ihm sofort. Etwas Geheimnisvolles scheint diese Musik für gesenkte Augenlider zu umgeben. Sie klingt ätherisch, bewegt sich souverän durch rockigere Stücke, brilliert im dominierenden Balladenfach, wirkt da wie dort beseelt und ausgestattet mit den Empfindungen eines reiferen Gemüts. Sie scheint aus dem Nichts zu kommen. Dann noch dieser Name: Joan As Police Woman. Wer zum Teufel ...?

Real Life heißt das gleichermaßen Begeisterung wie Verwirrung hervorrufende Werk von Joan As Police Woman. Dahinter steckt ein Trio, das nicht, wie vermutet, vom Himmel fiel, sondern ganz im Gegenteil aus altgedienten Personen besteht, die von New York aus agieren, Freunde und Mitmusiker von Antony and the Johnsons sind. Jenem Mann, der im Vorjahr mit den erhebenden Stücken seines Albums I'm A Bird Now eine kleinere Weltkarriere startete und hier eindrucksvoll als Gast zu hören ist. Joan, die im richtigen Leben den schönen Nachnamen Wasser trägt, gehört zur Liveband von Antony, hat in den letzten 15 Jahren aber auch andere Bandgeschichten mitgeschrieben. Beginnend mit der hawaiischen Formation The Dambuilders - unvergessen deren Wahnsinnsauftritt in der Szene Wien! -, die nach ihrem Umzug nach Boston Wasser an der Gitarre beschäftigte, über Those Bastard Souls zu Rufus Wainwright und eben Antony.

Von Joans Indie-Rock-Vergangenheit ist auf Real Life kaum mehr etwas zu hören. Deutlicher sind da schon die Einflüsse von Wainright und Antony zu vernehmen. Immerhin dominiert wie beim Balladenkaiser Antony das Klavier, zu dem Joan ihre eingangs schon bekniete Stimme erhebt. Zart tremolierende Gitarren, sich überlagernde Stimmspuren und ein behäbig geschlagener Rhythmus schaffen eine Atmosphäre, die geheimnisvolle und romantische Fantasien gebiert - man höre nur das gottvolle Eternal Flame!

Joans Gesang wird in Folge von Streichern zart umgarnt, lässt in I Defy eine kühle Jazztrompete den Hintergrund ausrichten, im Vordergrund erinnert das pointierte Klavierspiel schwer an Talk Talk - nicht die einzige Parallele zu den dahingegangenen britischen Pop-Göttern. Real Life könnte sich also als Instantklassiker erweisen. Ein Album, das der Ewigkeit einen Platz abringt - einen Seufzer hat es bereits jetzt gut bei ihr. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.6.2006)