Wien - Die USA hätten mit ihren Maßnahmen im Kampf gegen den Terror "ihre eigenen Werte" verraten, erklärte der Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, Hannes Tretter, am Montag in Wien. Es herrsche in den USA "eine Art Ausnahmezustand", der die demokratischen Strukturen, die Menschenrechte und die Gewaltenteilung gefährde, so Tretter bei einer Pressekonferenz, bei der die Wiener Rechtsanwälte im Vorfeld des EU-Amerika-Gipfels auf die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsstandards drängten.

Als negative Beispiele von Maßnahmen, "die die Fundamente unseres staatlichen Verständnisses gefährden", nannte Tretter den "Patriot Act", der Überwachungen erleichtert, die Überstellung von Gefangenen ("renditions") in Länder mit geringeren Menschenrechtsstandards, das Gefangenlager in Guantanamo oder die Folteraffäre im Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak. Die USA betrieben "eine Politik fast der Gesetzlosigkeit", die den "Terrorismus eher schürt". Der Kampf gegen den Terror sei im Rahmen des Strafrechts zu führen. Die Europäer könnten nur dann Druck auf die USA ausüben, wenn sie "mit einer Zunge sprechen", was im Bereich der Außenpolitik jedoch nicht der Fall sei.

Rechtsanwälte

Die Wiener Rechtsanwälte fordern die österreichische Ratspräsidentschaft auf, an US-Präsident George W. Bush beim EU-Amerika-Gipfel nicht nur die Forderung nach einer umgehenden Schließung von Guantanamo zu stellen, sondern auch die "nichtdiskriminierende" Achtung der Menschenrechte jener zu verlangen, die im Kampf gegen den Terror festgenommen wurden, "ganz gleich wo sie sich in Gewahrsam der Vereinigten Staaten befinden".

Wie der Wiener Rechtsanwalt Thomas Höhne bei der Pressekonferenz weiter sagte, müssten die USA auch "rückhaltlos über die Entführung Verdächtiger, deren Transport und Festhaltung in Europa" Aufklärung geben. Den UNO-Berichterstattern müsse ungehinderter Zugang zu den Häftlingen in Guantanamo gewährt werden, die ihrerseits ihre Anwälte frei wählen können und ordentlichen Gerichten mit menschenrechtlichen Verfahrensgarantien vorgeführt werden sollten, fordern die Wiener Anwälte.

Der Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien, Harald Bisanz, sagte bei der Pressekonferenz, die Entwicklung bei der Handhabung der Menschenrechte "deutet auf eine Rückkehr in die Steinzeit hin". Die Menschenrechte seien jedoch universell und unteilbar, wie bereits die Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte 1993 festgestellt habe. (APA)