Foto: Forte Village Resort
Schon der Name ist Fiktion, ein Traumbild: Costa Smeralda, smaragdfarbene Küste. So heißt Sardiniens rau zerfurchte, nordöstliche Spitze mit ihren mächtigen Granitmonolithen, den Buchten, Klippen und Inselchen. Der Name nimmt die Farbe des Meeres auf - und die ist real und spektakulär - allerdings erst seit den Sechzigerjahren, als Prinz Karim Aga Khan hier zu bauen begann und nicht mehr aufhören mochte, jedenfalls bis 1983, dann zog er sich, nachdem die Sarden, denen er das Land meist für das sprichwörtliche Butterbrot abgekauft hatte, neue Erschließungen mit einem Bauvolumen von mehr als fünf Millionen Kubikmetern verhindert hatten, enttäuscht zurück.

Trotzdem ist der Küstenstreifen in den Sommermonaten der Laufsteg für Vermögende, Fußballstars und TV-Sternchen geblieben. Ein Epizentrum der italienischen Prosecco-Prominenz samt Briatore, Berlusconi und wie sie sonst noch alle heißen.

Ganz anders

Doch Sardinien kann auch anders, ganz anders. Im Süden der Insel etwa, an der Costa del Sud, in Nora, San Antioco und Cagliari. Hier hat Sardinien etwas von dem bewahrt, was es einmal war und von dem D. H. Lawrence in "Sea and Sardinia" schrieb: "Nun war kein Leben in Sicht, nicht einmal ein Schiff auf dem blassblauen Meer. Felsgestein tritt zutage. Es war ein wildes, dunkel-buschiges Land, dem Himmel ausgesetzt, dem Meer und der Sonne überlassen."

Natürlich kann man auch hier, an der Südspitze der Insel, in der Gegend von Santa Margherita, am Strand liegen und den Menschen dabei zusehen, wie sie in die Wellen springen, man kann sich den Sand durch die Finger rieseln lassen und sich fragen, ob es nicht möglich sein könnte, das Leben einfach geschehen zu lassen. Klassischer Strandurlaub also, mit allem, was dazugehört, Sentimentalität, Lebensfreude, gutem Essen - und das an der blauesten aller Küsten. Einige, die es wissen müssen, behaupten, nicht einmal die Karibik könne diesem Abschnitt Sardiniens das Wasser reichen. Es sind weiß gleißende Strände, die sich hier, so weit das Auge reicht, erstrecken, unterbrochen von steinigen Landzungen und schroffen Felsklippen, die, umwandert man sie zu Fuß, immer wieder überraschende, atemberaubende Blicke auf einsame Buchten freigeben.

Einschließlich der kleinen, vorgelagerten Inseln erreicht Sardinien eine Küstenlänge von 1843 Kilometern, und die schönsten und unberührtesten Strände liegen im Südwesten. Sogar im Sommer, wenn die touristische Nachfrage das Angebot um das Zehnfache übersteigt und die Preise ins Irreale steigen, findet man hier ein ungestörtes Plätzchen. Raum gibt es also genug, ansonsten liegt hier vieles nah beisammen, man kann beispielsweise ins 30 Kilometer entfernte Cagliari fahren und sich dort im Castello-Viertel oder in einem der maurisch anmutenden Cafés in der Via Roma mit der wechselhaften Geschichte Sardiniens beschäftigen. Mit dem ewigen Hin und Her zwischen römisch und byzantinisch, pisanisch-genuesisch, katalanisch und spanisch und schließlich italienisch, das hier nicht nur in der Architektur, sondern auch in den Bewohnern seine sichtbaren Spuren hinterlassen hat. Die Sarden, von denen Dante einmal behauptete, sie imitierten die Grammatik des Italienischen "wie die Affen den Menschen", die Sarden also, sonst eher verschlossen und wortkarg, aber keineswegs unfreundlich, sind in dieser Stadt offener - auch dem Meer gegenüber, das sie hier sonst eher fürchten, denn selten kam von dort Gutes, eher Übles wie die Malaria, Piraten und Eroberer.

Die "Mattanza"

Eine zweistündige Autofahrt weiter im Westen liegt die nur mit der Fähre erreichbare Isola di San Pietro, auf der jedes Jahr die "Mattanza", das blutige Ritual der Thunfischjagd stattfindet. Ein Idyll samt dösenden Katzen auf warmem Steinpflaster und Steilklippen, auf denen die fast ausgestorbenen Eleonora-Falken nisten.

Etwas weiter nördlich stößt man auf die Sulcis-Region mit ihren ausgedehnten, zum Teil zugänglichen Grottensystemen, in der seit Menschengedenken Metall, Silber und Kohle abgebaut wurde. Noch in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts ließ Mussolini hier das Städtchen Carbonia als Symbol eines vermeintlich erfolgreichen faschistischen Energiekonzepts aus dem Boden stampfen - mit wenig Erfolg, die letzten Minen schlossen vor 15 Jahren, die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent. "Young, wild and poor" hat dort einer an die Wand gesprayt.

Alles ist hier im Süden möglich, Tauchen, Segeln, Golf- und Tennisspielen sowieso, auch Urlaube für solche, die es in luxuriösen Hotels pauschal gemütlich haben wollen. Für andere gibt es den Agriturismo, eine Art Urlaub auf dem Bauernhof, der eine billigere, einfachere und kinderfreundlichere Form, die Ferien auf dem Land zuzubringen, ermöglicht. "Tell only your best friend" steht auf dem T-Shirt des Kellners in der Bar. Daneben steht Richi, blaue Shorts, graues T-Shirt, gut aussehend und braun gebrannt, mit dessen Schiff man gerade eine kleine Bootsfahrt unternommen hat. Auf die Frage, ob er nicht befürchte, der Süden der Insel könnte so wie die Costa Smeralda werden, lacht er. Zwar seien schon Bruce Willis und David Beckham hier gesichtet worden, Juventus Turin und die deutsche Nationalmannschaft, die hier trainierten, auch, und vielleicht sei es tatsächlich so, dass Schönheit Schönheit anziehe. Ein vom Senator ausgesprochenes Bauverbot, welches das Bauen erst 300 Meter vom Strand weg ermögliche, werde das Schlimmste verhindern, sagt Richi. Und auch wenn sie dann kämen, diese Berühmten, die er auch schon rumgeschippert habe, sei das nicht so schlimm: "Die atmen dieselbe Luft wie wir", allerdings nur für ein paar Tage. (Der Standard/rondo/23/6/2006)