Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war schon vor dem Straßenfest. Aber auch auf der Veranstaltung selbst, wurden sich die Leute, die von der Sache wussten, nicht einig. Doch dann, sagt M., habe ohnehin die Band zu spielen begonnen – und die Angelegenheit sei vergessen gewesen.

Auf alle Fälle, sagt M., sei es ihr kurz wirklich kalt den Rücken runter gelaufen, als einer ihrer Kollegen zwei Wochen vor dem Fest plötzlich mit der Einladung vor ihr gestanden habe: Ob ihr klar sei, was sie da zu tun gedenke, habe er Kollege gemeint – und sich ganz offensichtlich an M.s ahnungslosem Gesicht erfreut: Ja, sagt M, habe sie geantwortet, sie habe, wie mit dem Kunden ihrer kleinen PR-Agentur vereinbart, Einladungen zu einem Straßenfest geschrieben. Die habe der Kunden freigegeben. Business as usual eben. Was da besorgniserregend oder belustigend sei?

Kleinigkeit Vor der Antwort habe der Kollege das Büro zusammengetrommelt. Und erklärt, dass man an solchen (er fuchtelte mit der Einladung) Kleinigkeiten erkenne, wie wichtig es sei, auch im Kirchenrecht umfassend gebildet zu sein. Und es sei ein Glück, dass er einst, kurz überlegt hätte, sich den geistlichen Freuden des Zölibates zu verschreiben.

Dann, erzählt M., sei er endlich zur Sache gekommen: Auf der Einladung war nämlich der Ablauf des Straßenfestes angeführt. Kursorisch, aber doch. Und unter anderem sei da zu lesen gewesen, dass ein Pfarrer aus der Umgebung die Straße weihen würde. Ob sich, habe der Kollege in die mit Na-und-Gesichtern dastehende Runde gefragt, denn keiner darüber bewusst sei, was das bedeute? Schulterzucken.

Schenkung

Der geistlich Versierte, erzählte M., sei endlich zu des Pudels Kern vorgestoßen: Etwas, das geweiht werde, gehe dadurch ins Eigentum der Kirche über, sagte er. Und er frage sich, habe er fortgesetzt, ob die Straßenfestveranstalter dies erstens wirklich wollten und – wenn ja – ob das denn mit dem Eigentümer der Straße, seiner Meinung nach wohl die Stadt Wien, abgesprochen sei. Man begebe sich da auf gefährliches Terrain, habe der Kollege noch gewarnt. Eine Kollegin habe sich – feixend – bekreuzigt.

Dass auch sonst niemand die Warnung ernst genommen habe, erzählt M., habe den Warner dann sichtlich verletzt. Und vielleicht, mutmaßt M., habe sich der Kollege deshalb an den Kunden gewandt –um dort als Prophet der Grundbuch-Apokalypse aufzutreten. Der Veranstalter sei eindeutig das besser Publikum gewesen: Umgehend kam der Auftrag, auf allen Einladungen das Wort „Weihe“ entweder auszulacken oder zu überkleben. Und an seiner statt „Segnung“ hinzuschreiben. Das habe zwar ausgeschaut „wie Sau“, aber egal.

Segnung

Auf dem Fest in der Vorstadt habe der Pfarrer dann ein paar nette Worte gesagt und sich dann mit den Anrainern und den Geschäftsleuten blendend unterhalten. Nur der Agenturkunde und ihr Chef seien Kopf an Kopf an einem der Heurigentische gesessen und hätten zuletzt fast schon hitzig debattiert: Wie gültig so eine versehentliche Übergabe an die Kirche überhaupt wäre. Ob da Steuern abzuführen wären. Und ob etwaige Betrugsanzeigen, Klagen oder Regressforderungen ­ von der Kirche wegen der eventuell ungültigen Schenkung oder von der Stadt wegen des Verschenkens ihres Besitzes? – eigentlich die Agentur oder den Auftraggeber treffen würden? Und so weiter.

Am Ende, so M., hätten sich dann alle darauf geeinigt, dass im Grund alles ihre Schuld sei ­ aber man verzeihe ihr. Großmütig ­ und in der Hoffnung, die Idee bald einmal in einem weit größeren Rahmen durchspielen zu können: Ob sich M. vorstellen könne, Einladungen für die Weihe ganzer Bundesländer, von Autobahnteilstücken oder fremden Landstrichen auf diesem oder anderen Planeten drucken und verschicken zu lassen. Den Versuch wäre es doch allemal wert.