Am Rand des Schlatenkees wandert man an bizarr geschliffenen Felsen vorbei. Wer weiter geht, gelangt zu den Gipfeln des Hohen Zaun und der Schwarzen Wand.

Foto: Hannes Schlosser
Ende Juni sind die Matten oberhalb der Waldgrenze mit leuchtend roten Almrosen übersät. Daneben rauscht der Schlatenbach, der sich seiner sommerlichen Höchstform nähert und darüber leuchtet weiß das Schlatenkees, gekrönt von den Gipfeln der Venedigergruppe. Spätestens hier heroben in 2100 Meter Höhe stimmen 99 von 100 Wanderern dem für das Innergschlöß gängigen Slogan vom "schönsten Talschluss der Ostalpen" mit strahlenden Augen beifällig nickend zu.

In Mulden und Rinnen liegen noch Schneereste, die Brücken über Karles- und Schlatenbach wurden erst vor ein paar Tagen wieder aufgebaut. Die Saison am Gletscherweg Innergschlöß hat eben erst begonnen. 1978 hat der Österreichische Alpenverein diesen Weg eingerichtet, damals eine Vorleistung auf den erst 1992 nach zähen Auseinandersetzungen installierten Osttiroler Teil des Nationalparks Hohe Tauern. Heuer wurde der Gletscherweg adaptiert und führt nun wieder nahe an das sich zurückziehende Schlatenkees heran. In den letzten 15 Jahren liegt der Längenverlust bei 135 Metern und vielen Metern an Masse.

Seinen Ausgangspunkt nimmt der Gletscherweg am Talschluss des Innergschlöß, dort wo das Kees vor 150 Jahren in fantastischen Eiskaskaden bis ganz herunter auf 1700 Meter gereicht hatte. Es ist ein vierstündiger Rundweg, der 500 Höhenmeter überwindet. Im Anstieg ist der Weg oft sehr steil, insgesamt als mittelschwer einzustufen und durchaus kindergerecht.

Am Gletscherweg wird anhand der Moränenreste die Ausdehnung des Gletschers in der Vergangenheit gezeigt, es wird über Pflanzen und Tiere, die sich im Vorfeld des Gletschers angesiedelt haben, erzählt und über die Eigenarten und Gefahren des Gletschers. Der Gletscherweg selbst kommt ohne Schautafeln aus, es sind nur die Nummern der 28 Haltepunkte in Felsen gemeißelt. Die Infos stehen im neu aufgelegten Führer.

Himmlische Ausblicke

Oben, wenn die Anstrengungen des Aufstiegs vorbei sind, belohnt eine atemberaubend schöne Landschaft: Der Salzboden. Ein Hochmoor mit sanften Formen und einer Stille, die der Seele gut tut. Zum Salzboden gehört auch das berühmte Auge Gottes, ein von Moränen abgedämmter dreieckiger Teich mit einer kreisförmigen Wollgrasinsel.

Wenig später, am Rand des Schlatenkees, betritt man den Gletscherschliff, einer vom Gletscher erst vor wenigen Jahren freigegebenen, rund geschliffene Felslandschaft. Die Vielfalt der Minerale des Tauernfensters tritt einem hier in einer Buntheit und einem Formenreichtum entgegen, der an Bilder einer Galerie mit abstrakter Kunst erinnert. Ein lohnender Abstecher von einer Dreiviertelstunde führt von hier zur Alten Prager Hütte und einem wunderbaren Gipfel- und Gletscherpanorama.

Ausgangspunkt für die Wanderung ins Innergschlöß ist das Matreier Tauernhaus, das von Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt und Bozen annähernd gleich weit entfernt und über die Felbertauernstraße mit dem Pkw in zwei bis zweieinhalb Stunden erreichbar ist. Unmittelbar beim Tauernhaus ist ein gebührenpflichtiger Parkplatz (4 €/Tag). Ab Sommer ist das Tauernhaus heuer wieder ab Lienz mit dem Postbus erreichbar. Wochentags verkehren drei, am Wochenende zwei Busse in beiden Richtungen. Infos: (04852) 64 994.

Vom Matreier Tauernhaus bis zum Venedigerhaus im Innergschlöß gibt es auf dem für den Individualverkehr gesperrten Fahrweg Zubringerdienste mit Taxibus, Bummelzug oder Pferdekutsche. Zu Fuß braucht man eineinviertel Stunden. Der Nationalpark bietet bis Mitte September jeweils dienstags Wanderungen über den Gletscherweg in Begleitung von Nationalparkbetreuern an. (Voranmeldung erforderlich: (04875) 5161-10) (Der Standard, Printausgabe 24./25.6.2006)