Bild nicht mehr verfügbar.

Patricia Highsmith im Alter von 21 Jahren, kurz nach Abschluss ihres Studiums am Barnard College

Foto: APA
Bern - Wie wohltuend, wenn "Mister Mozart" einmal reine Nebensache ist . . .! Patricia Highsmith, Texanerin mit lebenslanger Neugier aufs alte Europa, lässt den Komponisten in der East Side auftauchen, und Mozart in Manhattan sagt: "Ja, ja". In die Amadeusstadt Salzburg verschlägt es im Gegenzug Tom Ripley im zweiten der fünf Romane um den amoralischen Helden schlechthin, und als Mordssouvenir enthält der Fundus der Schriftstellerin ein Set von Trachtenknöpfen mit dem Landeswappen.

"Veneydig"

Sowohl das Typoskript der unveröffentlichten Kurzgeschichte als auch die Kurzwaren zeigt die erste Ausstellung aus Highsmiths Nachlass im Schweizer Literaturarchiv. Patricia Highsmith, die ihre letzten 15 Lebensjahre im Tessin verbracht und im Diogenes-Verlag einen wertschätzenden Partner für ihr Werk gefunden hat, sprach selbst - wie eines der Videos in der Ausstellung demonstriert - Deutsch, mit unverkennbar amerikanischem ("Veneydig") Akzent.

Auch Deutsch geschrieben hat sie, privat, in ihrem Tagebuch, wenn sie ein Thema - wie ihre Homosexualität - besonders diskret behandelt haben wollte. Peter Handke hingegen schreibt seiner Kollegin auf Englisch. Zwar aus Paris, und doch über Salzburg, namentlich über Highsmiths/Ripleys Quartier, den "Goldenen Hirschen". "I don't want to be modern", deklariert sich Handke und attestiert Highsmith anerkennend, zugleich modern und das Gegenteil davon zu sein.

Acht Kapitel

Weitere Briefe von Autorinnen und Autoren - große Namen von Edward W. Said und Mary McCarthy bis Paul Bowles und Nathalie Sarraute - zeigt die Berner Ausstellung. Einige Schreiben hat Highsmith mit der ihr eigenen Bösartigkeit in Alben montiert: Aufgeklebt neben eine geringschätzige "Ripley"-Rezension, wenn auch bloß aus Erwachsenenbildung in Österreich, findet sich Fanpost - von Graham Greene.

Die Ausstellungsmacher können aus dem Vollen schöpfen, ein stattlicher Nachlass steht ihnen seit dem Erwerb 1996 zur Verfügung. Das Berner Material ziehen nicht nur die Herausgeber der anspruchsvollen Highsmith-Neuausgabe heran, es war auch Grundlage für die Biografie von Andrew Wilson (Schöner Schatten) und ist es im Moment wieder für eine zweite.

Schummrigkeit

In der Ausstellung verschränken acht Kapitel Leben und Werk der lange unterschätzten Highsmith. Die Schau präsentiert sich düster. Auch wenn die Lichtscheu sachlich motiviert ist, wirkt sie erhellend. Sie passt zu der Autorin, die Moral und Gerechtigkeitsempfinden für fad, Amoral hingegen für eine Quelle von Amüsement befand. Die Schummrigkeit gibt den über den Köpfen der Besucher schwebenden Gegenständen etwas Hexiges. Hexenhaft kommt auch die kontrast- und facettenreiche Persönlichkeit zum Vorschein, mit brüchiger Identität: Unter Pseudonym veröffentlichte Highsmith nicht nur Carol, den Roman einer lesbischen Liebe, sondern auch zahlreiche Leserbriefe, gerne mit Vornamen wie "Hubert".

Hundebesuche

Patricia Highsmith wird erfahrbar als ernsthafte Schriftstellerin, als begabte Hobbyzeichnerin, als zupackender Haus- und Gartenmensch, als leidenschaftliche Reisende, als gebeutelte Tochter, als eigensinnige Leserin ("Go to hell, Nietzsche!"), als Verfasserin von Listen unangenehmer Telefonanrufe oder unerwünschter Hundebesuche.

Fetischistinnen werden nicht bedient: An persönlichen Gegenständen finden sich zwar Flöte und Feldstecher, Highsmiths Schreibmaschine und ihr Schweizermesser, aber keine Handtasche. Im Täschchen soll die exzentrische Einsame in jungen Jahren Schnecken, in späteren Erdnussbutter befördert haben. Die Kriechtiere waren ihr einfach sympathisch, vom Brotaufstrich habe sich die heillose Trinkerin zuletzt ernährt. Bei dieser Vorliebe für die in Europa bis heute nicht angekommene Erfindung des verschrobenen Moralisten Dr. Kellog schlägt noch einmal die Hassliebe zu ihrem Übersee durch, die sich auch in der Antwort auf die Frage, was Patricia Highsmith an Thomas Ripley so fasziniere, ausdrückt: "Dass er Amerikaner ist." (Petra Nachbaur/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.6.2006)