Wien - Ende Juni darf man nach einer anstrengenden Saison schon ein wenig müde sein. Das dürfen sogar die Wiener Philharmoniker. Vielleicht wäre dies am vergangenen Freitag im Musikverein weniger aufgefallen, wäre jene(r) oder wären jene, die für die Erstellung ihrer Programme zuständig sind, nicht auch von einer unübersehbaren Einfallsmüdigkeit befallen gewesen.

Zwar wird niemand ernsthaft bezweifeln, dass Antonín Dvorák ein großer Komponist gewesen ist, ebenso wenig ist jedoch in Abrede zu stellen, dass er mit der programmatischen Konzertouvertüre in f-Moll mit dem Titel Othello nicht eben das inspirierteste seiner Orchesterwerke geschaffen hat. Freilich ist das noch lange kein Grund, ein solches Werk beständig aus den Programmen zu verbannen. Fragt sich nur, womit man dieses kombiniert, ob sich durch die übrigen Werke sein energetisches Manko kompensieren lässt.

Mit Sergej Prokofjews melodramatischer Kinderfabel Peter und der Wolf wohl kaum. Obwohl es dieser gegenwärtig an Aktualität nicht fehlt. Denn so wie die Jäger den Wolf erschießen wollen, weil er die anderen Tiere gefährdet, dürfen sich nun Österreichs und Bayerns edle Weidmänner zusammenrotten, um mit dem genialen Bären Bruno zu tun, was man mit Störenfrieden eben zu tun pflegt. Und kein Peter wird da sein, der sie wie in Prokofjews Fantasie davon abhielte.

Bärenjagdgesellschaft

Dem akustischen Umfeld, das man bei der nun pirschenden Bärenjagdgesellschaft vermuten darf, war höchstens die gerade noch den Anforderungen eines Dorffestes genügende Verstärkeranlage angemessen, mit der man Michael Heltau (warum eigentlich?) bei seinem sensibel mit der Musik korrespondierenden Vortrag des Textes stützte.

Daniel Harding vermochte die Philharmoniker sowohl bei Dvoráks Othello als auch im erwähnten Prokofjew-Werk trotz oder vielleicht auch wegen der liebenswürdigen kapellmeisterlichen Umsicht, mit der er zu Werke ging, leider nie über die Intensitätsgrenzen abenddienstlicher Präzision zu locken.

Und dies, wie dann schon zu befürchten stand, auch nicht in Harold en Italie von Hector Berlioz, einer Programm-Symphonie mit Solo-Bratsche. Ihre labyrinthische Weitläufigkeit und die eher moderate Brillanz des Soloparts macht Niccolò Paganinis Entscheidung, von der Aufführung desselben Abstand zu nehmen, nur allzu verständlich. Christian Frohn, Solobratschist der Philharmoniker, fand den diesem Werk entsprechenden romantisch enthusiastischen Tonfall, mit dem seine Kollegen allerdings nicht gleichzogen.

Vielleicht war der Jubel des Publikums diesmal auch nicht so frenetisch wie gewohnt.(Peter Vujica/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26 6. 2006)