Johannes Dieter Dlesk wollte vor allem Letzteres sehr wörtlich nehmen, als er beschloss, so viele Waldviertler Gemeinden wie möglich mit Literatur zu vernetzen. Das Konzept ist denkbar einfach: Mit Kalkfarbe kann jeder eigene oder Fremdtexte auf einem Rad- oder Güterweg anbringen, die dann andere mit dem Rad erfahren dürfen. Natürlich denkt er bei dem wachsenden Projekt auch in Superlativen - das Nibelungenlied würde sich auf dem Donauradweg gerade ausgehen.
Meist bodenständig
Vorerst sind es immerhin dreißig Rundwanderwege, die zumeist Bodenständiges zu sagen haben: Sagen und Legenden aus der Region bieten sich an, in der Landschaft gelesen zu werden, aus der sie stammen. Der Ort Schweiggers etwa räumt Bauernregeln volle sechzehn Kilometer ein, über eine Distanz von dreizehn Kilometern kann man Weltliteratur abradeln - in Form einer beachtliche Sammlung von bekannten Zitaten.
Aber eben auch holprige Passagen erlaubt man sich hier: Auf der achtzehn Kilometer langen Mountainbike-Strecke in der Gemeinde Bärnkopf wurde recht frei zu den Begriffen "Bären und Beeren" assoziiert, die Schüler der Hauptschule Martinsberg legten noch eine vier Kilometer lange, wortspielerische Ehrenrunde drauf. Grundsätzlich sind es auch die Jugendlichen, die Dlesk auf diesen Wegen erreichen möchte, was in Eggern bereits gelungen sein dürfte: Auf zwölf lyrischen Kilometern haben Kinder versucht, ihren sprachlichen Rhythmus in Gedichten zu finden - das richtige Tempo beim Radfahren müssen nun andere suchen. Hilfreich ist dabei jedenfalls der "Zieleinlauf" mit Kindergedichten von Ernst Jandl, die sich bestens als Schrittmacher für den letzten Kilometer eignen.