Wien - Die heute veröffentlichten Arbeitsmarktdaten für Juni bewerteten der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB), die Arbeiterkammer (AK) wie auch SPÖ und Grüne bei weitem nicht so rosig wie die Bundesregierung. Tatsächlich sei die Zahl der Arbeitslosen nur um 4.784 Personen zurückgegangen, da sich die Schulungsteilnehmer stark erhöht hätten.

ÖBG-Präsident Rudolf Hundstorfer forderte längerfristige Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit, anstelle kurzfristiger Mittelbereitstellung im Wahljahr 2006, hieß es am Montag in Reaktion auf den Wirtschaftsbericht. ÖVP-Sozialsprecher Walter Tancsits hingegen spricht von einer "fortgesetzten Trendwende" am Arbeitsmarkt.

"Kein Anlass zum Jubeln"

254.000 Arbeitslose im Juni geben keinen Anlass zum Jubeln, so der geschäftsführende ÖGB-Präsident. Inklusive der Schulungsteilnehmer seien im Juni exakt 254.079 Menschen als arbeitslos registriert gewesen. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für höhere Studien (IHS) rechneten damit, dass ohne nachhaltige Maßnahmen die Arbeitslosigkeit 2007 "auf hohem Niveau verharren" werde.

Gleichzeitig steige die geringfügige Beschäftigung, während Vollzeitarbeitsplätze verloren gingen. Die Regierung übersehe, dass immer mehr Arbeitnehmer "in prekäre Arbeitsverhältnisse und Lebensumstände abrutschen", kritisiert Hundstorfer den von der Regierung vorgelegten "Wirtschaftsbericht 2006". Das reale Wirtschaftswachstum betrug im Vorjahr 1,9 Prozent, das Realeinkommen der Österreicher wuchs hingegen mit 1,0 Prozent um knapp die Hälfte. "Das zeigt doch ganz deutlich, wer die Gewinner und wer die Verlierer der anspringenden Konjunktur sind", so der geschäftsführende ÖGB-Präsident.

Der ÖGB fordert mehr Infrastrukturinvestitionen, Steuerentlastungen für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sowie den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. Um den Lehrstellenmangel abzufedern, brauche es 10.000 zusätzliche Plätze im Auffangnetz zur Jugendausbildung sowie die Finanzierung der Lehrausbildung durch alle Betriebe. Als Beitrag zur Armutsvermeidung sei zudem die Erhöhung der Geldleistungen für Arbeitslose dringend nötig.

Bures: "Statistische Tricks"

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures erklärte, die Regierung habe bei ihrer Wirtschaftspolitik kläglich versagt, die Rekordarbeitslosigkeit sei die unmittelbare Folge davon. "Für statistische Tricks reicht es gerade noch", so Bures und betonte: "Der zahlenmäßige Rückgang bei den vorgemerkten Arbeitslosen geht beinahe eins zu eins auf die Zunahme bei den Schulungen zurück. Im Vergleich zum Jahr 2000, als Schüssel als Kanzler angetreten ist, ist die Arbeitslosenzahl heute um rund 70.000 höher, das ist ein Anstieg um fast 40 Prozent."

Bei den Jugendlichen sei der Anstieg der Arbeitslosigkeit noch drastischer. Seit dem Jahr 2000 sei die Jugendarbeitslosigkeit um rund 80 Prozent gestiegen. Die Lehrstellenlücke gehe immer weiter auf. Für 16.359 Lehrstellensuchende gab es Ende Mai nur 3.643 offene Lehrstellen.

Öllinger: "Üble Tricks"

Auch Karl Öllinger, Sozialsprecher der Grünen, spricht von "üblen Tricks" bei den Arbeitslosenzahlen. An der hohen Zahl der Arbeitslosen habe sich nichts geändert, trotz immer wieder von Wirtschaftsminister Bartenstein betonter Trendwende.

Die Arbeiterkammer (AK) sieht keinen Grund für Entwarnung auf dem Arbeitsmarkt. Als "Schönfärberei, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat" bewertet Maria Kubitschek, Leiterin des AK-Wirtschaftsbereichs, den Wirtschaftsbericht der Regierung. Die Zahl der Arbeitssuchenden sei mit fast 260.000 weiterhin dramatisch hoch. Der Beschäftigungszuwachs selbst gehe allein auf Teilzeitbeschäftigungen zurück. Vor allem die verdoppelte Jugendarbeitslosigkeit seit dem Jahr 2000 sei besorgniserregend.

Positiv beurteilte Walter Tancsits, ÖVP-Sozialsprecher, die vorgelegten Arbeitsmarktzahlen und spricht von einer Fortsetzung der Trendwende am Arbeitsmarkt. "Zum ersten Mal seit drei Jahren ist die Zahl der Arbeitslosen wieder unter 200.000 auf 196.368 gesunken". (APA)