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Microsoft-Chef Steve Ballmer.

Foto: AP Photo/Chitose Suzuki

"Es geht uns eigentlich weniger um die Strafe, sondern ein klares Signal: Microsoft muss sich benehmen lernen." EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sagte am Mittwoch, die EU hätte die gegen den größten Softwarekonzern der Welt verhängte Strafe eher am unteren Ende der Möglichkeiten angesiedelt. Verhängt wurde eine Strafe von 1,5 Millionen Euro pro Tag von 16. Dezember 2005 bis zum 20. Juni 2006.

1,5 Prozent

Das wären rund 1,5 Prozent vom durchschnittlichen relevanten täglichen Umsatz von 85,7 Millionen Euro, möglich gewesen wären aber auch bis zu 4,82 Millionen Euro Strafe pro Tag, was fünf Prozent des Umsatzes entsprechen würde.

Urteil nicht nachgekommen

Bestraft wurde Microsoft, weil das Unternehmen aus Redmond einem Urteil vom März 2004 nach Meinung der EU-Kommission noch immer nicht nachgekommen sei, die Schnittstellen des Betriebssystems Windows für die Erzeuger anderer Software gänzlich offen zu legen. Der Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2006 ergibt sich aus dem komplizierten Fristenlauf. Microsoft habe fast die gesamte Zeit ungenützt verstreichen lassen und erst in den letzten Wochen eine erhöhte Aktivität an den Tag gelegt, sagte die Kommissarin. Dennoch wären derzeit nur etwa 50 Prozent der Dokumente in Besitz der Kommission, die verlangt wurden.

Zwei Monate Zeit

Microsoft hat nun rund zwei Monate Zeit, um alle Auflagen zu erfüllen. Sollte bis dahin noch immer ein "Rückstau" an Dokumenten herrschen, droht Microsoft ab dann eine Strafe von drei Millionen Euro pro Tag, sagte Kroes.

Rekord

Die nun verhängte Strafe von 280 Millionen und eine mögliche zukünftige kommen zu der Rekordstrafe von 497 Millionen Euro hinzu, die die EU-Kommission im März 2004 verhängt hat, da Microsoft aus Kommissionssicht seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich verwendet hätte.

Microsoft könnte also möglicherweise bald mit bis zu einer Milliarde Euro bei der EU in der Kreide stehen, hat aber bisher gegen alle Strafen Einspruch erhoben und bisher noch nichts bezahlt.

EU-Kommissarin Neelie Kroes

"Ich bedaure, dass Microsoft mehr als zwei Jahre nach der Entscheidung sein illegales Verhalten immer noch nicht eingestellt hat", sagte Kroes. "Ich habe keine andere Wahl, als wegen dieses fortgesetzten Verhaltens diese Strafzahlungen zu verhängen. Keine Firma steht über dem Gesetz." Kroes warnte Microsoft auch, sie hoffe, dass das kommende Betriebssystem Vista so konzipiert sei, dass Kartellrechtsstreitigkeiten vermieden würden. Alle bereits diskutierten und ausjudizierten Punkte bei Windows würden auch für Vista gelten. Microsoft hat für Vista einige Dinge angekündigt, die aus Sicht der Kommission ebenso "illegal" sind wie der MediaPlayer bei Windows:Software, um PDF-Dokumente zu erstellen, Virenprogramm und Suchmaschine.

Diskussion

Sollten diese Zusatzdienste im Paket mit dem Betriebssystem vertrieben werden, steht theoretisch die gleiche Diskussion noch einmal bevor. Dies will die Kommission aber verhindern. Microsoft hat am Mittwoch angekündigt, gegen die neue EU-Strafe vor ein europäisches Gericht zu ziehen. Die Strafe sei nicht gerechtfertigt, erklärte das Unternehmen. Der Konzern erklärte, er wolle die EU-Auflagen von 2004 weiter erfüllen. Er verwies auf die Anstrengungen, die er in den vergangenen zwei Jahren bereits unternommen habe. 300 Leute arbeiteten allein dafür, so ein Sprecher. (DER STANDARD Printausgabe, 13. Juli 2006 Michael Moravec aus Brüssel)