Wien - Während am Rande der Plenarsitzung am Mittwoch der jüngste Ortstafel-Kompromiss gescheitert schien, zog die Regierung vor den Abgeordneten noch ein Mal Bilanz über den österreichischen EU-Vorsitz. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) dankte in seiner betont staatsmännischen Rede allen Beteiligten und ließ die wichtigsten Stationen des EU-Vorsitzes in den vergangenen sechs Monate Revue passieren. Altbundespräsident Kurt Waldheim lauschte der Ansprache auf der Besuchergalerie.

"Schreckliches Jahr" erwartet

Man sei nach der Ablehnung der EU-Verfassung und der gescheiterten Finanzordnung nach der britischen Präsidentschaft von einem "schrecklichen Jahr" ausgegangen. Zudem habe es hinsichtlich des türkischen Beitritts eine "Vertrauensstörung" gegeben. Die Regierung sei daher mit der Zielsetzung, mehr Vertrauen und Schwung für Europa zu bringen, in die Präsidentschaft gestartet, so Schüssel. Als Motto habe man "Europa hört zu" formuliert. Die Menschen hätten nämlich Bürgernähe und Lösungen verlangt.

Motto: Relaismus

"Das zweite Motto lautete Realismus." Man habe "mit Augenmaß gearbeitet" und "einiges leisten" können sowie "neue Felder eröffnet", verwies der Kanzler unter anderem auf die Bereiche Energie und Sicherheit. In Sachen EU-Verfassung "haben wir das Schweigen gebrochen". Die Aufnahmefähigkeit bekomme nun "die gebührende Aufmerksamkeit". Bei der Türkei sei die Aufnahmefähigkeit "ausdrücklich zum Kriterium gemacht worden", so Schüssel.

Karikaturen- und den Gas-Konflikt

In anderen außenpolitischen Fragen habe man sich "rechtzeitig vernetzt" und so in vielen Bereichen Erfolge erzielt. Als Beispiele nannte Schüssel unter anderem den Karikaturen- und den Gas-Konflikt. Die guten Kontakte mit den Sozialpartnern hätten die Lösung in der Dienstleistungsrichtlinie ermöglicht. Als besonders wichtiges Thema strich der Kanzler die Energie-Politik hervor.

Der Kanzler verteidigte auch die zugleich gelobte und getadelte Gastfreundschaft Österreichs: "Es war uns kein Anliegen, den ersten Preis für Lieblosigkeit zu bekommen." Am Ende seiner Rede bedankte sich Schüssel bei alle Beteiligten, wie Minister, Beamte, Polizisten und EU-Gremien; selbst Köche, Musiker "und alle anderen Künstler" fanden Erwähnung.

Maßvolle Oppositionskritik

Mit maßvoller Kritik am österreichischen Ratsvorsitz hat sich Mittwochmittag die Opposition bei der Europa-Debatte des Nationalrats zu Wort gemeldet. Sowohl der außenpolitische Sprecher der SPÖ, Peter Schieder, als auch Grünen-Chef Alexander Van der Bellen lobten ausdrücklich die gute Organisation der Präsidentschaft. Abgegangen sind den beiden Durchbrüche in den großen Fragen der Union.

"Nicht bloß geschickte Inszenierung"

Schieder sprach der Organisation der Präsidentschaft und der Präsentation Österreichs "wirklich Lob" zu. Es sei "großartige Arbeit" geleistet worden: "Das war nicht bloß geschickte Inszenierung." Für Österreich sei es darauf angekommen, zu zeigen, dass ein kleines Land in der Durchführung den Großen um nichts nachstehe. Weniger gefällt dem SP-Mandatar, dass eine genaue Aufstellung über die Kosten der Präsidentschaft noch immer nicht vorliegt.

Van der Bellen nannte die Arbeit der Organisatoren eine "erstklassige Performance", keine einzige Panne sei bekannt geworden. Sachlich hat ihm dagegen so einiges missfallen. So sei etwa in Sachen Änderung des Euratom-Vertrags im Gegensatz zu früheren Beteuerungen überhaupt nichts passiert. Ganz im Gegenteil stehe die Renaissance der Atomenergie bevor.

Seitens der BZÖ-Freiheitlichen erklärte Klubchef Herbert Scheibner, man müsse nun fortfahren, die während der Präsidentschaft verfolgten Ziele auch weiter in der EU einzubringen, vor allem konzentrierte er sich dabei auf die Aufnahmefähigkeit der Union, die vor weiteren Beitritten gewährleistet sein müsse. (APA)