Forschung & Geschlecht
Über Proportionen
Warum Babys kurze Beine, aber einen großen Kopf haben
Heidelberg - Embryos und Kleinkinder haben im Vergleich zu Erwachsenen überproportional große
Köpfe. Auch andere Organe entwickeln sich nicht parallel, sondern sozusagen schubweise. Wie es
zu diesem schnelleren bzw. langsameren Wachstum kommt, hat ein Forscherteam um Pernille Rørth
am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg herausgefunden: Das Gen
namens Tribbles "befiehlt" den embryonalen Zellen in kritischen Entwicklungsphasen, sich nicht
weiter zu teilen.
Studiert wurden die Vorgänge am Beispiel der Fruchtfliege (Drosophila), großteils direkt unter dem
Mikroskop: Kurz vor der Zellteilung beginnt die den Zellkern umgebende Membran sich aufzulösen.
Danach fahren aus winzigen Strukturen auf beiden Seiten der Zelle "Abschleppseile" heraus, die sich
in die Zwillingskopien der frisch duplizierten Chromosomen einhängen, sie auseinander ziehen und in
zwei gleiche Tochterzellen teilen. Der gesamte Prozess wird von dem Protein Cdc2 eingeleitet. Ist es
einmal aktiv geworden, ist die Zellteilung nicht mehr zu stoppen. Weil sich Zellen aber nicht
permanent teilen dürfen, gibt es andere Moleküle, die wie Wachhunde dafür sorgen, dass Cdc2 erst
im passenden Moment produziert wird.
Beim Fliegenembryo stellt die Zelle vor der Teilung zunächst einmal das benötigte
Duplizierungsmaterial zusammen. Dann wartet sie, bis das so genannte String-Gen transkribiert
worden ist. Daraus entsteht String-RNA, die anschließend in das Protein übersetzt wird, das Cdc2
aktiviert.
Brems-Protein
Nun wird in fast allen Zellen des Fliegenembryos String-RNA dazu benutzt, Proteine herzustellen, die
die sofortige Zellteilung auslösen. Doch den Forschern fiel auf, dass jene Embryozellen, die später
einmal zu Muskeln werden, schon geraume Zeit vor ihrer Teilung eine große Menge String-RNA, aber
nur ganz wenig String-Protein enthalten. Das führte zu der Frage, was diese Zellen von den anderen
unterscheidet.
Schließlich fanden die Forscher heraus, dass das Tribbles-Protein die String- Proteine bei Bedarf mit
einem "Etikett" versieht, das der Zelle mitteilt, sie solle die Strings erst einmal ignorieren. Dadurch
bleibt der String-Protein-Level so niedrig, dass die Zellteilung nicht ausgelöst wird. Dieser Teil des
Körpers entwickelt sich ab sofort langsamer. (hk)