STANDARD: Kann man heute die Jugendlichen überhaupt noch für Politik interessieren?

Heinzlmaier: Ich bin der tiefen und festen Überzeugung anhand von Gesprächen, die ich beruflich führe, aber auch anhand der empirischen Daten, die ich sehe, dass die Politikverdrossenheit respektive die Parteienverdrossenheit der Jugend noch nie so groß war wie heute.

STANDARD: Womit lässt sich dieser Politikfrust der jungen Wählergruppe begründen?

Heinzlmaier: Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Leute nicht mehr das Gefühl haben, dass das, was sich in der Politik abspielt, für ihre Lebenswelt relevant ist. Das ist eine Bühne, auf der ein Stück gespielt wird, das in keinerlei Kontext zu dem Alltäglichen von Jugendlichen mehr steht.

STANDARD: Schuld ist das verstaubte Auftreten der Parteien?

Heinzlmaier: Es ist sicher ein Fehler der Politik. Was diese Parteien heute aufführen, hat für die Jugendlichen null Unterhaltungswert - was schon einmal ganz schlecht ist. Darüber hinaus ist das Ganze so dermaßen abgehoben, dass man sich in keinen Bezug mehr dazu setzen kann. Wenn ich mit Jugendlichen rede, egal in welchem Alter, wissen die nicht, welchen Einfluss die ständig veränderten Konstellationen und Debatten auf ihr Leben haben könnten.

STANDARD: Sie kennen sich mit Jugendmarketing aus. Was wollen denn die Jugendlichen von der Politik?

Heinzlmaier: Beinhart gesagt: gar nichts. Das, was die Politik heute leisten soll, sind für Jugendliche ganz pragmatische Dinge: Dass die U-Bahn fährt, dass Licht brennt. Die Infrastruktur muss stimmen. Darüber hinaus wollen sie von den Politikern möglichst wenig hören. Jugendliche wollen sich da nicht involvieren und schon gar nicht an diesen drögen Diskursen, die abgefeiert werden, teilnehmen.

STANDARD: Sind die Versuche der Parteien, die 340.000 Erstwähler im heurigen Jahr mit möglichst coolen Internetauftritten zu überzeugen, also leere Kilometer?

Heinzlmaier: Das ist der absolut falsche Weg. Man müsste das Ganze vom Glaubwürdigkeitsdefizit, das die Politik generell hat, aufziehen. Es nützt nichts, wenn man auf einem riesigen, schwerfälligen und unglaubwürdigen Elefanten jugendkulturelle Punkterl draufmalt und glaubt, dadurch wird der Elefant unsichtbar. Das ist lächerlich. Die Leute sind ja nicht blöd. Und die ganzen Jugendbeauftragten und Abgeordneten werden eigentlich überhaupt nicht ernst genommen. Auch weil junge Menschen sehen, dass diese Leute innerhalb der politischen Strukturen keine Relevanz haben.

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Zur Person: Bernhard Heinzlmaier (46) macht seit 15 Jahren Jugendforschung (Jugendarbeit, Freizeit, Lifestyle). Seit 2000 ist der Wiener Geschäftsführer der tfactory-Trendagentur in Hamburg, Dozent an Popakademie Mannheim. (Mit Heinzlmaier sprach Markus Rohrhofer(DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2006)