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Klimt-Gemälde "Amalie Zuckerkandl" (Ausschnitt)

FOTO: APA/ OESTERREICHISCHE GALERIE BELVEDERE
Wien – Knalleffekt im beigelegt geglaubten Streit um Gustav Klimts unvollendetes Bildnis der Amalie Zuckerkandl, das die Wiener Kunsthändlerin Vita Künstler 1988 der Österreichischen Galerie gestiftet hat: Die Urenkel der Porträtierten brachten eine Aufhebungsklage gegen das Urteil des dreiköpfigen Schiedsgerichts ein, nach dem das Bild nicht restituiert werden müsse, weil es in der NS-Zeit zu keiner "Vermögensentziehung im Sinne des Nichtigkeitsgesetzes" gekommen sei. Alfred Noll, der Anwalt der Zuckerkandl-Erben, argumentiert in seiner Klagschrift, dass mehrfach gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren verstoßen worden sei.

Wie berichtet, hatten die Erben nach Ferdinand Bloch-Bauer Ansprüche nicht nur auf fünf mittlerweile restituierte Klimt-Bilder geltend gemacht, die Adele Bloch-Bauer in ihrem Testament erwähnt, sondern nachträglich auch auf das Zuckerkandl-Porträt, da es sich im März 1938 im Stadtpalais des Zuckerindustriellen befand. Zuvor schon hatten die Zuckerkandl-Erben das Bild zurückverlangt, da Bloch-Bauer aus dem Schweizer Exil dafür gesorgt hatte, dass der Porträtierten das Gemälde zurückgegeben wurde.

Aufgrund dieser komplizierten Ausgangssituation beschäftigte sich das Schiedsgericht, 2005 eingesetzt, separat mit dem Fall. Andreas Nödl, Walter H. Rechberger und Peter Rummel, auf den sich die beiden als Vorsitzenden geeinigt hatten, gelangten im Mai zwar zur Feststellung, dass das Bild auf "Veranlassung von Ferdinand Bloch-Bauer freiwillig" herausgegeben wurde, sprachen es aber dennoch nicht den Erben nach Amalie Zuckerkandl zu, die im Vernichtungslager Belzec ermordet worden war.

Noll sprach sogleich von einem "Fehlurteil". In seiner Klage setzt er jedoch bereits am Verfahren selbst an. Denn seine Mandanten durften sich zwar am Schiedsverfahren beteiligen, aber nicht, wie die Republik und die Bloch-Bauer-Erben, einen Schiedsrichter bestellen: Sie seien nachgerade "genötigt" worden, das Procedere zu akzeptieren.

Ungültiger Vertrag?

Die Rechtsordnung, die eine vollständige Gleichbehandlung sämtlicher Parteien vorsieht, sei daher missachtet worden. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der zwischen den Bloch-Bauer-Erben und der Republik abgeschlossene Schiedsvertrag "ungültig ist". Das Landesgericht für Zivilrechtssachen habe ihn – und das Urteil – aufzuheben. Die Konsequenz: Es müsse selbst in der Sache entscheiden.

Mit der Klage muss sich nun ein dreiköpfiger Senat beschäftigen, da Noll den Streitwert mit 50.001 Euro angibt (bis 50.000 Euro ist nur ein Richter vorgesehen). Noll hat zudem vorgebaut, falls der Senat die Schiedsvereinbarung für rechtens erkennen sollte: Er ficht den Schiedsspruch wegen Nichtigkeit an, weil "auch seine Begründung mit den Grundwertungen der Rechtsordnung nicht vereinbar" sei: "Sämtliche für die schiedsgerichtliche Entscheidung wesentlichen Feststellungen sind falsch."

Denn Hermine Müller Hofmann, Tochter von Amalie Zuckerkandl, hatte 7000 Reichsmark für ein "Sippenzeugnis" zu bezahlen. Da es keine finanziellen Reserven gab, musste ihr Mann das Porträt an Vita Künstler, die von Otto Kallir, in die USA geflohen, die Neue Galerie übernommen hatte, um 1.600 Reichsmark verkaufen. Das Gemälde hatte aber einen sechsmal so hohen Versicherungswert (10.000 Mark).

Das Schiedsgericht räumt ein, dass die Familienmitglieder "unstreitig zu den verfolgten Personen" gehörten; "auch der Zusammenhang der Veräußerung mit der nationalsozialistischen Machtübernahme steht fest". Dennoch sei der Verkauf an jemanden erfolgt, mit dem die Familie "befreundet" gewesen sei.

Noll hingegen meint, dass es sich sehr wohl um einen "Not- bzw. Zwangsverkauf" gehandelt habe: Für die Familie war Vita Künstler bloß eine nicht näher bekannte Angestellte in der Galerie eines verfolgten Juden. Dies beweise auch ein Brief von Hermine Müller Hofmann, in dem es heißt: "Das Porträt von Mama befindet sich bei einer Frau Dr. Vita Künstler, Kunsthistorikerin, die das Bild durch Dr. Kalir erworben hat." Nolls meint: "Das dürfte kaum der Ton gewesen sein, in dem Hermine Müller Hofmann über eine Freundin berichtete."

Ein Dorn im Auge ist Noll zudem die Behauptung des Schiedsgerichts von einer "schon ohne die Verfolgung des Naziregimes bestehenden Not" der Familie: Sie sei "schamlos" und "in fast schon gemein zu nennender Weise falsch". Die Notlage sei erst durch die NS-Herrschaft herbeigeführt worden – u.a. aufgrund des Berufsverbots für Hermines Ehemann.

Nach dem Ende des Dritten Reiches aber hätte die Familie in der Tat kein Geld gehabt. Die vom Schiedsgericht getroffene Feststellung, dass es Hermine wirtschaftlich dennoch möglich gewesen sein soll, das Bild zurückzukaufen, sei daher "nachgerade zynisch": Das Schiedsgericht habe die Situation nach 1945 "geschönt". Noll glaubt daher, eine verfassungswidrige Auslegung des Nichtigkeitsgesetzes erkannt zu haben. Eine Fehlinterpretation dieses Gesetzes sei "immer auch ein Verstoß gegen Grundwertungen der Rechtsordnung". Die Finanzprokuratur als die Rechtsvertretung der Republik hat nun vier Wochen Zeit für eine Klagebeantwortung. (Thomas Trenkler/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.7.2006)