Nach dem neuen Misshandlungsvorwurf eines Schubhäftlings gegen die Polizei fordert Amnesty International einen Stopp von Abschiebungen in Linienflugzeugen. Betroffene würden zudem oft unzureichend in einer "Husch-husch-Aktion" vorbereitet.

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Wien – "Abschiebungen sind legitim und notwendig. Aber jede Aktion muss garantiert menschenrechtlich einwandfrei abgewickelt werden." Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International in Österreich, fordert nach den neuerlichen Misshandlungsvorwürfen gegen Wega-Beamte einen generellen Stopp von Abschiebungen mit Linienflügen. "Justizhäftlinge werden ja auch nicht mit der Straßenbahn transportiert, sondern mit speziellen Bussen", sagte Patzelt am Mittwoch im Gespräch mit dem Standard. Er schlägt vor, Flug-Abschiebungen nur mehr mit gecharterten Maschinen durchzuführen. Laut Richtlinien muss nur in diesen Fällen immer ein unabhängiger Menschenrechtsbeobachter dabei sein.

Abgelehnter Asylantrag

Wie berichtet, wird der neue Vorwurf vom 21-jährigen Paul O. aus Nigeria erhoben. Nach einem Drogendelikt und abgelehntem Asylantrag hätte er am 31. Juli in seine Heimat abgeschoben werden sollen; und zwar zuerst im Auto nach Frankfurt, von dort weiter per Linienflug nach Lagos. Den Einstieg in die Maschine verweigerte er aber. Nach Pol izeiangaben soll der 21-Jährige randaliert haben, in Deutschland liegt eine Anzeige wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt vor. Paul O. hingegen behauptet, er sei sowohl am Flughafen als auch später nach Abbruch der Abschiebung während der Rückfahrt nach Österreich geschlagen worden. Das Blut sei ihm "bis in die Schuhe geronnen", gab der Schubhäftling an. In Linz wurde O. schließlich in einem Krankenhaus behandelt, mittlerweile befindet er sich in Wien in Schubhaft. Sein Rechtsvertreter Nikolaus Rast spricht von Verletzungen an der Hand, im Gesicht und am Knie seines Mandanten.

Vorwürfe werden überprüft

Das Büro für interne Angelegenheiten (BIA) überprüft derzeit noch die Vorwürfe. Ähnliche Ermittlungen im Fall des Gambiers Bakary J. (33) vor vier Monaten haben erst kürzlich zu Anklagen gegen vier Wega-Beamte geführt.

Auch das Innenministerium will Charter-Abschiebungen forcieren. Wegen der hohen Kosten – ein Lear-Jet-Flug nach Nigeria kommt auf 44.000 Euro – setzt Innenministerin Liese Prokop (VP) auf EU-Zusammenarbeit. Erst vor einem Monat teilten sich Österreich, Polen und Frankreich eine Charter-Abschiebung nach Georgien.

Amnesty-Chef Patzelt sieht aber auch in der Vorbereitung von Abschiebungen Mängel. "In den meisten Fällen sind das Husch-husch-Aktionen, viele Betroffene werden erst am Vorabend der Abschiebung informiert." Paztelt hält eine intensivere Vorbereitung für sinnvoll. Auch Begleitbeamte sollten vom Druck befreit werden. Solange nur eine durchgeführte Abschiebung als Erfolg anerkannt werde, seien überschießende Maßnahmen nicht auszuschließen. Im Vorjahr wurden 1988 Personen auf dem Luftweg abgeschoben, 28 Aktionen davon mussten abgebrochen werden. In 14 Fällen kamen Schubhäftlinge verletzt zurück. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 10.8.2006)