Geschlechterpolitik
56 EinwandererInnen bei Einschleusungsversuch gestorben
Großbritannien: "Frachtgut Tomaten"
Dover - Der Versuch von 58 Männern und
Frauen aus Asien, illegal nach Großbritannien einzureisen,
endete in der Nacht zum Montag in einer Tragödie: Der britische
Zoll fand sie tot in einem Lastwagen, der aus dem belgischen
Zeebrügge per Fähre in der Hafenstadt Dover ankam. Nur zwei der
Insassen lebten noch, sie wurden in ein Krankenhaus gebracht.
Der Fahrer des niederländischen Kühltransporters, der Tomaten
geladen hatte, wurde festgenommen. Die Ermittler gehen davon
aus, dass die 54 Männer und vier Frauen erstickten. Politiker
und das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zeigten sich entsetzt und
riefen dazu auf, Schleppern das Handwerk zu legen.
Die Frachtpapiere wiesen die Ladung als Tomaten aus. Die
illegalen Einwanderer waren hinter den Tomatenkisten versteckt.
Nach Erkenntnissen der Polizei war das Kühlaggregat nicht
eingeschaltet. Während der Fahrt herrschte große Hitze. Die
beiden Überlebenden der Tragödie waren nach Untersuchungen der
Polizei jene, die am nächsten an der Tür waren und dort noch
etwas Luft bekamen.
Zwei traumatisierte Überlebende
Die Ermittler erhoffen sich Aufklärung über den Hergang der
tödlichen Fahrt von den beiden Überlebenden, die jedoch am
Montag nach Angaben von Psychologen noch zu traumatisiert waren,
um sie zu befragen. Auf ihnen liege eine ungeheure Last, sagte
der Londoner Psychologe James Thompso. Die Überlebenden könnten
sich für den tödlichen Ausgang schuldig fühlen.
Die Polizei konnte die Fahrt des Lastwagens zunächst nur bis
Rotterdam zurückverfolgen. Sie setze große Hoffnungen auf die
Zusammenarbeit mit Beamten anderer EU-Länder, um die Route des
Fahrzeugs herauszufinden und so auf die Spur der Hintermänner
des Verbrechens zu kommen, sagte ein Sprecher. Solche
Schmuggel-Operationen geschähen nicht spontan. Sie erforderten
umfangreiche Planung und Koordination.
"Das Ausmaß des Leichenfundes übersteigt alles, was wir hier
jemals erlebt haben", sagte der Sprecher dem britischen Sender
Sky-TV. Die beiden Überlebenden seien außer Lebensgefahr und
würden befragt. Aus welchem Land die Toten stammten, sei noch
unklar. Allerdings spreche vieles dafür, dass es sich um
Chinesen handele, da sie die größte asiatische ImmigrantInnengruppe
in Großbritannien stellten. Die genauen Umstände des Todes der
illegalen EinwandererInnen müssten noch ermittelt werden.
Gefahr des Schlepperunwesens
Britische Politiker äußerten sich nach dem Fund in Dover
entsetzt. Premierminister Tony Blair sagte, das Drama zeige die
Gefährlichkeit des Schlepper-Unwesens. Innenminister Jack Straw
sagte: "Unsere Gedanken sind mit den Angehörigen der Toten."
Zugleich bekräftigte Straw die Entschlossenheit, hart gegen
Schlepperbanden vorzugehen, die das Leben der Menschen
missachteten. Ähnlich äußerte sich auch Außenminister Robin
Cook, der sich zugleich für eine engere Zusammenarbeit der
Polizeibehörden in Europa bei der Bekämpfung der organisierten
Kriminalität aussprach. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an
die entsprechenden Beschlüsse des EU-Gipfels in Helsinki vor
neun Monaten, die dringend umgesetzt werden müssten.
Auch Nick Hardwick vom britischen Flüchtlingsrat sprach von
einer furchtbaren Tragödie. Es handele sich bei den illegalen
EinwandererInnen meist um Menschen, die in einer komplizierten
Lebenslage steckten. Das zeige sich daran, dass sie derart hohe
Risiken eingingen, um ihr Land zu verlassen.
Strafen schon verschärft
Über den englischen Fährhafen Dover, den täglich 4000
Lastwagen passieren, versuchen Schlepperbanden immer wieder,
illegale EinwandererInnen aus Entwicklungsländern und Osteuropa nach
Großbritannien einzuschleusen. Die Regierung in London hat
Anfang des Jahres die Strafen dafür drastisch verschärft. Für
jeden gefundenen blinden Passagier müssen die Fahrer seitdem
umgerechnet mehr als 6000 Mark Strafe zahlen. Die Zahl der in
Lastwagen aufgegriffenen illegalen EinwandererInnen hat sich nach
offiziellen Angaben seitdem um die Hälfte verringert.
(Reuters)