Ein Erlöser, der auch Hilfe braucht: Brandon Routh als Superman.

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Der älteste Superheld der Comicgeschichte meldet sich im Kino zurück: In Bryan Singers sorgfältig inszeniertem Blockbuster "Superman Returns" lernt der Mann aus Stahl in einer krisengeschüttelten Welt seine Grenzen kennen und behält doch seinen alten Glanz.


Wien – "Warum die Welt Superman nicht braucht." Für einen Kommentar diesen Titels hat Lois Lane (Kate Bosworth), die Herzensfrau des ältesten Superhelden, in seiner Abwesenheit den Pulitzer-Preis erhalten. Sie ist außerdem verlobt und Mutter eines Sohnes, während der ewige Kontrahent des Mannes aus Stahl, Lex Luthor (Kevin Spacey), nicht im Gefängnis sitzt, sondern seine Avancen auf die Weltherrschaft gerade wieder dabei ist aufzunehmen.

Es liegen also nicht die besten Bedingungen für eine Rückkehr in Ruhm und Glanz vor. Wer lang weg bleibt, riskiert, vergessen zu werden. Selbst im Kino haben Supermans Nachfolger längst seinen Platz übernommen. Bryan Singer, der sich mit den ersten beiden Teile der X-Men-Saga als Regisseur empfahl, legt das Comeback des Helden entsprechend revisionistisch an. Ähnlich wie Sam Raimi mit Spiderman versucht er sich an einer dezenten Modernisierung, die die zeitlose Aura der Figur zu würdigen versteht.

Ein Hauch von nostalgischer Melancholie liegt also in der Luft, als Superman von seiner Mission zu seinem zerstörten Heimatplaneten Krypton zurückkehrt. Die Erde – aus TV-Monitoren wird schnell ersichtlich: die Gegenwart – hat allerdings immer noch Bedarf an einem Retter, der wie ein Engel vom Himmel fällt. Katastrophen finden sich genug. Lex Luthor will gleich einen ganzen Kontinent mit außerirdischer Materie herstellen: mit Kristall aus Krypton, das er aus Supermans Domizil, der Festung der Einsamkeit, gestohlen hat.

Die typischen Komponenten des Comics, Referenzen an aktuelle Bedrohungsszenarien und der persönliche Konflikt des Superhelden, der zwischen privaten Bedürfnissen und professioneller Vernunft hin und her gerissen wird –, diese Ebenen führt Singer gleich zu Beginn zu einer atemberaubenden Sequenz zusammen. Ein neues Space-Shuttle soll direkt von einem Flugzeug starten, Luthors erste Testversuche an einer Minimunduswelt schlagen negative Wellen, das Flugzeug lässt sich nicht mehr navigieren und rast zur Erde hinab – Supermans erste Gelegenheit, sich nachhaltig in Erinnerung zu rufen, auch bei Lois Lane.

Actionabläufe wie diesen setzt Singer sehr kontrolliert und überlegt ein, mit scharfem Auge für stimmige Details. Allein daran, wie Lane im Flieger bei Schwerelosigkeit der Kugelschreiber fast wieder _zurück in die Hand schwebt, lässt sich die zwischengeschlechtliche Reibung ablesen. Ihre Faszination für den Superhelden ist ungebrochen, genauso wie seine für sie. Immer noch arbeitet er als linkischer Reporter Clark Kent – getarnt durch anderen Scheitel und Brille – an ihrer Seite und sieht ihr schwärmerisch mit Röntgenaugen nach, wenn sie im Lift davonfährt.

Aufstieg und Fall

Newcomer Brandon Routh ist als Nachfolger von Christopher Reeve keine schlechte Wahl. Gerade weil er in seinem blauen Kostüm so bieder wirkt (und als Kent nicht nur tapsig, sondern auch ein wenig bemitleidenswert), eignet er sich gut als Projektionsbild, das auch humorvoll durchbrochen werden kann. In Superman Returns wird die Höhenluft für den Helden bisweilen richtig dünn. Nicht immer schießt er hoch hinaus, oft fällt er auch kraftlos in sich zusammen. Man könnte sogar so weit gehen, in ihm eine Retterfigur der Post-9/11-Ära zu sehen, dessen Energien angesichts globaler Krisenherden irgendwann schlicht erschöpft sind. Ein Superheld scheint nicht mehr genug.

Singer hat allerdings keinen offensichtlich politischen Film gedreht. Damit die generische Ordnung gewahrt bleibt, übernimmt schließlich auch hier der charismatischen Bösewicht das Kommando. Spacey eignet sich Luthor mit einiger Sprachfreude an. Sein totaler Machtanspruch gleicht mehr dem eines James-Bond-Gegenspielers. Er wäre gerne ein neuer Prometheus, hat aber zu viel Wahnsinn in sich (und zu inkompetene Getreue), um mit dem Feuer schöpferisch umzugehen.

Immerhin gelingt es Luthor, Superman seine Grenzen aufzuzeigen. Das fügt sich geschmeidig in einen erzählerischen Zusammenhang, der bei aller Erlösungsmetaphorik doch letztlich auf ein gemeinschaftliches Handeln pocht. Wenn Lois Lane am Ende ansetzt, ihren prämierten Text zu revidieren, bleibt es bei einer Überschrift. "Warum die Welt Superman braucht." Die Antwort hat sich schon erübrigt. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.8.2006)