Wien - Der ORF kommt auch nach der Wahl des neuen Generaldirektors Alexander Wrabetz nicht zur Ruhe. Grund dafür ist eine Intervention von BZÖ-Spitzenkandidat Peter Westenthaler, der sein für Dienstag geplantes "Sommergespräch" wegen des parallel auf ORF 1 laufenden Champions League-Spiels Benfica Lissabon gegen Austria Wien auf Montag vorverlegt haben möchte. Wrabetz, der sein Amt am 1. Jänner antritt, hat Informationsdirektor Gerhard Draxler angewiesen, Westenthalers Wunsch nachzukommen. Draxler gab die Vorverlegung am Nachmittag in einer Aussendung bekannt. Kritiker orten darin einen "Gesetzesbruch", denn zugleich gibt es eine schriftliche Weisung der amtierenden ORF-Chefin Monika Lindner, wonach es keine Verlegung geben soll.

Bereits seit mehreren Tagen hat Westenthaler, der im ORF für seine früheren Interventionen bekannt ist und in den vergangenen Wochen im Hintergrund einer der Strippenzieher für Wrabetz war, im ORF für eine Verlegung geworben. Seit gestern, Freitag, gibt es am Küniglberg nun ein heftiges Ringen um die Entscheidung. Wrabetz, der Donnerstagabend nach der erfolgreichen Wahl durch SPÖ, BZÖ, FPÖ, Grüne, Unabhängige und zwei schwarze Betriebsräte im Do&Co noch mit Westenthaler, Info-Direktor in spe Elmar Oberhauser und anderen auf den Sieg angestoßen hatte, ließ am Freitag im APA-Interview bereits Sympathien für den BZÖ-Wunsch erkennen. "Grundsätzlich versuchen wir immer, die Programmierung Fußball gegen Politik zu vermeiden", meinte Wrabetz. Die Entscheidung liege aber ausschließlich beim Informationsdirektor.

Dieser soll nach Informationen der APA noch am Freitag von Wrabetz angewiesen worden sein, die "Sommergespräch"-Verlegung entsprechend zu programmieren. Wrabetz soll sich dabei auf einen Notparagrafen berufen haben, wonach er auf Grund der Abwesenheit und Unerreichbarkeit Lindners deren Vertretung inne habe. ORF-Chefin Monika Lindner hat daraufhin ebenfalls am Freitag über ihren Administrator Wolfgang Buchner eine schriftliche Weisung erteilt, wonach es keine Programmänderung gibt. Es handelt sich dabei um die erste Weisung seit der Novelle des ORF-Gesetzes 2001. Erst seit den damals erfolgten gesetzlichen Änderungen verfügt der ORF-Chef über ein direktes Durchgriffsrecht.

Samstagvormittag hatte BZÖ-Politiker Westenthaler, noch bevor Draxler die Vorverlegung auf Montag offiziell bekannt gab, in zumindest einer Zeitungsredaktion angerufen, um auf die notwendige Änderung auf den TV-Programm-Seiten hinzuweisen. Eine schriftliche Stellungnahme Draxlers Samstagnachmittag gegenüber der APA klingt ähnlich wie jene des künftigen ORF-Chefs: "In Erfüllung und Sicherung des ORF-Programmauftrages, insbesondere aus Gründen der Fairness und der besonderen Wahrung der Publikumsinteressen im Zusammenhang mit der TV-Nationalratswahlberichterstattung, ändert der ORF seine aktuelle Programm-Planung. Um eine gleichzeitige Programmierung von Übertragungen österreichischer Live-Fußball-Top-Events (Champions League) in ORF 1 und Live-Gesprächssendungen (Sommergespräche, Konfrontationen u. a.) in ORF 2 zu vermeiden, wird das ursprünglich für Dienstag, 22.August, vorgesehene ORF-Sommergespräch auf Montag, 21.August, 21.05 Uhr, ORF 2 vorverlegt."

Mit seiner Ankündigung, das "Sommergespräch" vorzuverlegen, umgeht Draxler die Weisung Lindners. Für Nachfragen war der Programmdirektor am Samstag - ebenso wie der gewählte ORF-Chef Wrabetz - nicht erreichbar. ORF-Chefin Lindner, sie führt die Geschäft bis 31. Dezember 00.00 Uhr, meinte am Nachmittag auf Anfrage der APA: "Zur Frage der internen Programmplanung gebe ich keinen öffentlichen Kommentar." ORF-Chefredakteur Werner Mück zeigte sich verwundert über die Vorgänge: "Ich bin seit mehr als 30 Dienstjahren im Unternehmen, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt." Mück machte jedenfalls klar, dass er sich an die Weisung der "Ranghöchsten" zu halten habe. "Ich verstehe nicht, dass das nicht allen anderen auch klar ist", meinte der Chefredakteur in Richtung Draxler. Irritiert zeigte sich Mück auch darüber, dass hier offenbar Zuständigkeitsfragen "auf dem Rücken der Mitarbeiter" ausgetragen werden.

In Stiftungsratskreisen war vom "ersten Sündenfall" des neuen ORF-Chefs die Rede. ÖVP-Stiftungsrat Kurt Bergmann zeigte sich von Wrabetz "zutiefst" enttäuscht. "Schon wenige Stunden nach der Wahl beugt er sich einer Intervention des BZÖ-Chefs Westenthaler und lässt gleichsam im Handstreich eine Programmänderung 'verfügen', die in direktem Widerspruch zu einer Dienstanweisung der amtierenden Generaldirektorin steht. Dies stellt einen eklatanten Bruch des Rundfunkgesetzes dar, dem die Mitglieder des Stiftungsrates nicht untätig zuschauen können", so Bergmann.

Der Grüne Stiftungsrat Pius Strobl unterstützt hingegen die Vorgangsweise von Wrabetz und Draxler und ortet einen "Rachefeldzug von Schüssel, Molterer und Mück". Lindner sei seit zwei Tagen weder für Wrabetz noch Draxler erreichbar, ein einvernehmliches Vorgehen deshalb nicht möglich gewesen, vielmehr werde sofort "eskaliert". Strobl weiter: "Rachefeldzüge sind nicht Gegenstand der ordentlichen Geschäftsführungsordnung. Auch verlieren muss man können".

Wenig erfreut zeigte sich Stiftungsratsvorsitzender Klaus Pekarek. "Ich appelliere an alle Beteiligten. Ich appelliere an die Gewinner und Sieger, im Sieg maßvoll zu sein und Augenmaß zu zeigen. Ich appelliere auch an die Verlierer, die Niederlage in Würde aufzunehmen." Der Kärntner Vertreter im obersten ORF-Gremium wies nochmals darauf hin, dass der Stiftungsrat am Donnerstag einstimmig empfohlen hat, dass Lindner und Wrabetz bis zur offiziellen Übergabe bei wichtigen Entscheidungen einvernehmlich agieren mögen. "Man sollte darauf verzichten, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen."

Die Frage der Fernsehprogrammierung sei eine der operativen Geschäfsführung. Der Stiftungsrat sollte sich hier nicht einmischen. Die rechtliche Lage sei klar. "Wenn es keine Einigung gibt, liegt die letzte Entscheidung bei Lindner", so Pekarek. Das Vorgehen von Draxler sei demnach "rechtlich nicht zulässig". Der Stiftungsratsvorsitzende befürchtet bis zur Nationalratswahl am 1. Oktober jedenfalls wenig Gutes für den ORF. "Wenn es jetzt schon zur ersten Eskalation kommt, dann fürchte ich, dass das nicht der letzte Anlassfall war." (APA)