Jeweils montags, mittwochs und freitags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten-Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

... im öffentlichen Raum verging, hatte sie jahrelang einfach übersehen.

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Es war vor einer Woche. Da sei ihr, erzählt B., das Ding erstmals bewusst vor Augen gestanden. Obwohl ihr Hund doch wirklich jeden Tag hier sein Haxerl hebe. Aber so spannend, sagte sie dann, habe sie Hydranten halt nie gefunden.

Aber neulich sei das dann anders geworden. Ansatzweise zumindest. Weil da ein Freund, der aus den USA gerade auf Besuch hier sei mit runter gegangen sei als sie den Hund – er hört netterweise auf den Namen „Kelef“ (und B. erfuhr erst vor einem Jahr von einem amüsierten Passanten, dass Kelef hebräisch ist und „Köter“ heißt) - um den Häuserblock führte. Und der – der Freund - habe sie dann eben gefragt, was das solle. Weil man, jedenfalls, sagte B., habe das so gewirkt, Hydranten in seiner Heimat viel respektvoller und ernsthafter gegenüberträte.

Parkverbot

Zum einen, so B., habe den Amerikaner erstaunt, dass in Wien niemand darauf verzichte, seinen Wagen vor einem Hydranten abzustellen – und die Stadt dennoch nicht von Feuerbrünsten vernichtet werde. Zum anderen aber war er baff, dass manche Hydranten in Wien angemalt seien: Ob das denn erlaubt sei? Weil in den USA da sicher jemand auf die Idee käme, von einem Sicherheitsrisiko zu reden, sobald nicht jeder Hydrant ausschließlich die offizielle lokale Hydrantentracht trüge.

B. meint, sie sei ratlos gewesen. Und gäbe deshalb die Frage einfach weiter: Tatsache sei ja, dass es tatsächlich bemalte Hydranten gibt. Und irgendwann in grauer Vorzeit, so glaube sie sich jedenfalls zu erinnern, habe sie auch einmal davon gehört, dass man in Wien ein Projekt betrieben habe, bei dem das Bemalen von Hydranten erlaubt und ermöglicht worden wäre.

Freundlichmachkampagne

Das sei, glaubt B. sich zu entsinnen, im Rahmen irgendwelcher offizieller Freundlichmach- und Kunstgestaltungsaktionen des öffentlichen Raumes passiert – schon damals habe sie der Gedanke gestreift, inwieweit ein angefarbeltes Stück hüfthoher Straßenarmatur ihren Lebensraum schöner, freundlicher und künstlerisch wertvoller machen würde. Und weil die Antwort darauf „gar nicht“ gelautet hatte, sagt B., habe sie die Sache umgehend wieder vergessen. Weil es wurscht war.

Aber als Gastgeberin, sagt B., sei das dann eben doch ein bisserl anders. Da sei die Hydranten-Frage dann eben plötzlich im Raum gestanden - und sie habe sich blöd gefühlt, weil sie beim Gassigehen mit Kelef und Ami plötzlich zum ersten Mal auf die Wasserspender achtete – und da tatsächlich buntes Zeug herumstand.

Hydra-Kultur

Der Ami, meint B., sei fasziniert gewesen. Er habe die Hydranten sogar fotografiert (und ihr sei es ein wenig peinlich gewesen, dass ihr Hund da auf fast jedem Bild beim Hinpinkeln abgelichtet worden sei) – und nun verlange der Freund von ihr Aufklärung. Über Hintergründe, Amtswege, Geschichte und Legalität des Hydrantenanmalens. Ob die Kunst-Hydranten dokumentiert, gesammelt, bewertet oder sonst wie katalogisiert seien, wolle er wissen – und natürlich auch, wann in Wien (von wem) der erste, respektive letzte, Hydrant angemalt worden sei: Die, die er bisher gesehen hätte, hätten alle ein bisserl nach verblassten und alten Malaktionen ausgesehen.

Sie habe, meint B., daraufhin ein bisserl im Netz gefahndet, aber nichts gefunden. Nicht in Wien jedenfalls: In Pfaffstätten, weiß B. aber jetzt, gehört organisiertes Hydrantenanfarbeln (maximal fünf Personen pro Hydrant!) zum Fixprogramm des Kinder-Ferienprogrammes. Und in der deutschen Stadt Altenburg gibt es einen eigen Verein („Crazy Hydrants.e. V“) der stolz auf www.crazy-hydrants.de bahnbrechende große Erfolge zu verkünden weiß: „2005 schaffte unsere 1€-Kraft Rosi Schmidt-Uhlig das fast Unmögliche und bemalte allein oder mit Kindern und Jugendlichen alle Hydranten in Schmölln.“

Persönlichkeit

Auch Klagenfurt ist Hydrantenkunststadt. Dort, recherchierte B. nämlich, hätten gar Streetworker der Stadt die Sache in die Hand genommen: „Einige alte Hydranten bekamen so eine neue "Persönlichkeit" und beleben somit das Stadtbild bzw. lassen keine Blicke an ihnen vorbeigleiten“, weiß B. seither – und auch, dass ihr Ami-Freund nicht der einzige ist, den bemalte Hydranten faszinieren: „hydrant.at gratuliert zum gelungenem Gemeinschaftsprojekt! ...echt super!“

Nur Wien, klagt B., sei anders: kein Wort über Hydrantenkunst im öffentlichen Raum habe sie finden können – und das sei echt bedrohlich: Ihr amerikanischer Freund wolle nun nämlich auf Kunsthydrantenreise gehen. Nach Paffstätten, Schmölln und Klagenfurt – und das, so B., gelte es mit aller Macht zu verhindern. Nur: dazu bräuchte sie eben Informationen über die Wiener Hydrantenmalszene – und zwar ziemlich dringend.