Die Paprika werden vor dem Verpacken genau untersucht. Ein braunes Fleckerl, und schon wird aussortiert

Foto: STANDARD/Fischer
Wien – Zuerst einmal werden die wattierten Jacken ausgeteilt. Das wirkt bei über 30 Grad Außentemperatur zunächst ein bisserl befremdlich. Doch in den auf 14 bis 16 Grad klimatisierten Hallen schlüpft man hurtig in den Anorak. Hierher, ins Simmeringer Frischecenter von LGV-Frischgemüse wird der Großteil der Wiener Gemüseproduktion angeliefert, sortiert, verpackt, etikettiert und dann an die großen Handelsketten ausgeliefert. Bis zu 2000 Tonnen Gemüse werden während der Hochsaison hier täglich umgeschlagen.

Fliegende Bewegungen

Tischweise gruppieren sich die grün Gekleideten. Hier werden die Paradeiser aus den Steigen genommen, während fliegender Bewegungen noch einmal geprüft, verpackt – und weiter geht’s. Dort drüben werden „Tricolore“ verpackt; der „Renner“ der LGV: Paprika, grün – rot – gelb, kommen ins Sackerl, Etikett drauf – und schon sind sie in der Steige. So schnell das geht, wird doch jedes einzelne Stück vorm Verpacken begutachtet. Ein kleines Fleckerl und der Paprika ist schon weg vom Tisch.

Vieles muss immer noch in Handarbeit erledigt werden. Jede Eingangspartie wird bereits an der Rampe zum ersten Mal begutachtet; dann wird automatisch sortiert. „Über das Gewicht nach Durchmesser“, erläutert Karl Herret von der LGV. „Viele wundern sich, dass alle Paradeiser im Geschäft so gleich aussehen – aber das liegt nur daran, dass wir hier in 5-Millimeter-Schritten sortieren können. Bei den Paprika sind es 10-Gramm-Schritte“ – und die Sortieranlage scannt dann mit Kameras auch gleich die Farbe. Wo Gewicht und Farbe passen, wird abgelegt.

Gemüse-Check

Jede einzelne Lieferung ist nicht nur mit dem Namen des Produzenten, sondern auch mit Artikel-, Erzeuger- und Chargennummer versehen; „so können wir jedes Stück präzise zurückverfolgen“, erläutert Herret. Vor mehr als 70 Jahren war die LGV gegründet worden, um den Simmeringer Gemüsegärtnern die Vermarktung zu erleichtern. Nach NS-Regime und Kriegswirren wurde die LGV 1946 neu gegründet. 1995, nach dem EU-Beitritt, pfiff der Landwirtschaft dann so richtig der Wind um die Ohren. Da fiel der Entschluss: Nicht jammern – durchstarten. Schon 1996 wurde das „Frische-Center“ in Simmering eröffnet – auch heute noch eine der modernsten Anlagen seiner Art in Europa.

Da die meisten der 120 aktiven Mitglieder-Betriebe im Umkreis von drei Kilometern in der Simmeringer Haide angesiedelt sind, schlägt hier ein wichtiger Vorteil durch: Im besten Fall ist die Ware schon einen Tag nach der Ernte im Geschäft. So konnten die LGV-Betriebe etwa bei Gurken in der Saison einen Marktanteil von 90 Prozent erringen – trotz europäischer Konkurrenz. Bei den Tricolore-Paprika sind es fast 100 Prozent. Da steht dann auch beim Einkauf im Oberinntal „LGV“ am Sackerl.

„Das Entscheidende ist, dass die Saisonen richtig geplant werden, dass die Sortenauswahl und die Qualitätssicherung stimmen“, erläutert Herret seine Aufgabe beim größten Gemüsevermarkter Österreichs. „Vor der Pflanzung wird mit jedem einzelnen Mitglied der Anbauplan durchbesprochen, um für jeden Betrieb die optimale Kulturwahl zu finden.“ Und dann wird auf den Punkt telefonisch mit den Ketten verhandelt: Jeden Montag und Dienstag wird etwa das Angebot für Samstag und Sonntag der Folgewoche vereinbart. Die Herstellerbetriebe bekommen eine Preisgarantie – müssen aber auch eine Liefergarantie einhalten.

Selbstversorger Wien

Und so kommen sie vom Wiener Glashaus oder Feld in die Regale der Geschäfte: 18.000 Tonnen Paradeiser pro Jahr, 35 Millionen Stück Gurken, 24 Millionen Stück Paprika, sieben Millionen Salathäupterln und fünf Millionen Bund Radieschen. Ein Gutteil der Ware bleibt in Wien – während der Hochsaison kann sich die Großstadt so selbst zu 100 Prozent mit Gemüse versorgen – und dazu noch 40 Prozent des Bedarfes in anderen Bundesländern abdecken. Das Erfolgsgeheimnis kann Herret trotz der großen europäischen Konkurrenz einfach auf den Punkt bringen: „Je kürzer der Transport, desto reifer kann geerntet werden und desto besser ist der Geschmack.“ (Roman David Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 23.08.2006)