Nationalrats-Präsident Andreas Khol auf der Rampe vor dem Parlament

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Wien – Der Nationalrat, der am 1. Oktober für eine weitere vierjährige Periode neu gewählt wurde, setzt sich aus 183 Abgeordneten zusammen. Er ist – gemeinsam mit dem Bundesrat – für die Bundesgesetzgebung verantwortlich und übt auch wichtige Kontrollfunktionen aus. So prüft er die Arbeit der Regierung durch schriftliche oder Dringliche Anfragen, und kann Regierungsmitgliedern auch das Vertrauen entziehen und so ihre Amtsenthebung erzwingen.

Entschließungen

Mittels Entschließungen können die Abgeordneten politische Anliegen an die Regierung richten. Für die Kontrolle der finanziellen Gebarung der Bundesstellen und öffentlicher Unternehmungen steht dem Nationalrat der Rechnungshof zur Verfügung.

Transparenz

Eine weitere wichtige Funktion hat der Nationalrat für die Transparenz von politischen Prozessen und Entscheidungen. Er ist das Forum für die Darstellung der unterschiedlichen Positionen der einzelnen Parteien. Daher sind seine Sitzungen in der Regel öffentlich. Die Verhandlungsgegenstände des Nationalrates sind prinzipiell für jeden zugänglich.

Gesetzgebungsperiode

Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates endet spätestens nach vier Jahren. Er kann aber zu jedem früheren Zeitpunkt mit einfacher Mehrheit seine Auflösung beschließen. Darüber hinaus hat der Bundespräsident – auf Vorschlag der Regierung – das Recht, den Nationalrat vorzeitig aufzulösen, was in der Zweiten Republik jedoch noch nie vorgekommen ist.

Tagungen

Die Tagungen des Nationalrates beginnen grundsätzlich Mitte September und dauern bis Mitte Juli des darauf folgenden Jahres. Der Bundespräsident kann den Nationalrat auch zu außerordentlichen Tagungen einberufen. Dies muss jedenfalls geschehen, wenn die Bundesregierung, mindestens ein Drittel der Abgeordneten oder der Bundesrat das verlangen. Weiters kann der Nationalrat einzelne Ausschüsse beauftragen, ihre Arbeit auch während der tagungsfreien Zeit fortzusetzen.

Ausschüsse vs. Plenum

In den Ausschüssen werden die Gegenstände vorberaten, die dann im Plenum des Nationalrates beschlossen werden. Das soll ermöglichen, dass fachkundige Abgeordnete in einem kleineren Kreis ohne Zeitdruck über Sachfragen diskutieren können; in die Beratungen können auch außen stehende Expertinnen und Experten eingeschaltet werden, die endgültige Entscheidung bleibt jedoch dem Plenum vorbehalten.

Ein zweiter Typ von Ausschüssen hat spezifische parlamentarische Aufgaben zu erfüllen, beispielsweise der Unvereinbarkeitsausschuss, der Immunitätsausschuss oder der Hauptausschuss.

Mehr als 1.000 Menschen arbeiten im Parlament

Mehr als 1.000 Menschen arbeiten im Parlament in Wien. 245 Mandatare des National- und Bundesrates sind die Bundesgesetzgeber; auch die 21 Abgeordneten des Europa-Parlaments gehören zu den Klubs. Daneben sorgen rund 660 Mitarbeiter im Parlament bzw. in den Klubs vom Klubdirektor über die Klubsekretäre bis zum Sicherheits- und Reinigungsdienst für einen reibungslosen Ablauf der Gesetzgebung.

Budget

Das Parlament hat ein eigenes Budget, für 2006 sind 113,7 Mill. Euro Ausgaben vorgesehen. Streng dem Grundsatz der Gewaltentrennung folgend, ist dafür vorgesorgt, dass die Gesetzgebung auch autark, also unabhängig von der Verwaltung, existieren kann. In der Praxis bedeutet dies z.B., dass die Parlamentsräumlichkeiten nicht von der Bundesimmobiliengesellschaft verwaltet werden, sondern von einer eigenen Gebäudeverwaltung des Parlaments.

378 Mitarbeiter

Im Bundesstellenplan 2006 werden dem Parlament 378 Mitarbeiter zugestanden. Diese Stellen sind mit Beamten, Vertragsbediensteten und Freien Mitarbeitern besetzt, auch Teilzeitbeschäftigte gibt es. Diese Mitarbeiter decken die gesamte Aufgabenpalette von der Parlamentsdirektion bis zum Portier, Hausarbeiter oder Sicherheitsdienst ab. Für die Sicherheit werden im Hohen Haus aber auch rund vier – an Plenartagen mehr – Kriminalbeamte aus dem Innenministerium eingesetzt.

"Klubzuweisungen"

Etwa 50 dieser öffentlich Bediensteten werden – aufgeteilt nach der Fraktionsstärke – den Klubs zur Verfügung gestellt, "Klubzuweisungen" ist der "amtliche" Ausdruck dafür. Daneben beschäftigen aber die vier Parlamentsklubs auch selbst Mitarbeiter – derzeit rund 34 die SPÖ, 33 die ÖVP, 14 der Freiheitliche Parlamentsklub-BZÖ und 36 die Grünen. Hier handelt es sich um Personal "vom Klubdirektor bis zur Kopierkraft". Dass die Grünen trotz der geringen Zahl von Mandataren die meisten Klubmitarbeiter haben, erklären sie damit, dass sie im Gegensatz zu den anderen Parteien nicht auf Infrastruktur von Vorfeldorganisationen u.ä. zurückgreifen können: "Wir haben unser gesamtes Fachwissen hier im Klub."

"Parlamentarische Mitarbeiter"

Zur fachlichen Unterstützung werden den Nationalrats-Abgeordneten aus dem Parlamentsbudget noch so genannte "Parlamentarische Mitarbeiter" finanziert. Da die im Parlamentsmitarbeitergesetz zugestandenen Mittel nicht wirklich reichen, um für jeden Abgeordneten z.B. einen gut qualifizierten Akademiker zu bekommen, schließen sich Abgeordnete mitunter zusammen und beschäftigen einen Mitarbeiter gemeinsam. Oder die Mittel werden in Form von Werkverträgen für bestimmte Studien oder Projekte vergeben. Im SPÖ-Klub gibt es derzeit 95 solcher parlamentarischer Mitarbeiter, bei der ÖVP 108, beim Freiheitlichen Parlamentsklub-BZÖ 20 und bei den Grünen 16.

Private Firmen

Für die seit dem Umbau verstärkten Sicherheitsmaßnahmen werden auch private Firmen eingesetzt, zusätzlich sind an Plenartagen etliche Polizeibeamte im Einsatz. Ausgelagert ist auch die Gastronomie im Parlament, ganz im Gegensatz zum neuen Parlamentsshop. Dort konnte man in diesem Jahr bereits 40.000 Euro lukrieren, durch Führungen durch wurden 60.000 Euro eingenommen. Dieses Geld fließt direkt in das Finanzministerium.

Homepage

Die Parlaments-Homepage http://www.parlinkom.gv.at/ wird durch ein Kernteam von fünf Mitarbeitern betreut, bald will man das Angebot erweitern. Pro Monat greifen bis zu 163.000 Besucher auf diese Seite zu.

Fakten zu den Abgeordneten

Der österreichische Nationalrat wird zwar immer "weiblicher", dafür aber älter. Mit einem Durchschnittsalter von knapp über 50 Jahren und einem Frauenanteil von 32,7 Prozent sind die Abgeordneten im Schnitt um zehn Jahre älter und immer noch wesentlich "männlicher" als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Nur zwei jünger als 30

146 der 183 Nationalratsabgeordneten sind zwischen 41 und 60 Jahre alt. Nur zwei Abgeordnete sind jünger als 30: die beiden 25-jährigen ÖVP-Abgeordneten Silvia Fuhrmann und Jochen Pack. Älter als 60 sind 17 Abgeordnete. Der älteste Mandatar im Hohen Haus gehört ebenfalls zur ÖVP – es ist der 67-jährige Roderich Riegler.

Durchschnittsalter steigt

Damit ist der Nationalrat am Ende dieser Legislaturperiode älter als in den vergangenen Jahren: Seit 1990 lag das Durchschnittsalter konstant knapp unter 50 Jahren. Viel älter waren die Nationalratsabgeordneten im Durchschnitt nie. Seit der ersten Gesetzgebungsperiode im Jahr 1920 lag das durchschnittliche Alter kaum je über 55. Der erste Nationalrat, der sich am 10. November 1920 konstatierte, war mit 47,6 Jahren sogar deutlich jünger als der heutige.

Freiheitliche am jüngsten

Der "jüngste" Klub ist der – mittlerweile in BZÖ und FPÖ zerfallen – Freiheitliche. Die 18 Abgeordneten von FPÖ und BZÖ sind im Schnitt 47,5 Jahre alt. Ein Drittel der Abgeordneten sind Frauen. Die 67-jährige Helene Partik-Pablé (B) ist die zweitälteste Nationalratsabgeordnete. Sie ist außerdem jene Freiheitliche, die schon am längsten im Parlament vertreten ist – die Richterin hat seit 1983 ein Nationalratsmandat inne. Jüngster Freiheitlicher ist der 32-jährige Elmar Lichtenegger.

SPÖ am ältesten

Am Ältesten ist im Durchschnitt der sozialdemokratische Parlamentsklub mit 51,4 Jahren. Jüngster Abgeordneter ist der 37-jährige Kai Jan Krainer, Ältester mit 66 Jahren Anton Gaal. SPÖ-Mandatar Peter Schieder hält einen parteiübergreifenden Rekord: Er hatte am längsten ein Mandat inne, und zwar insgesamt 25,5 Jahre. Abgeordneter war er zuerst von 1970 bis 1973, seit 1984 sitzt er durchgehend im Parlament. Knapp 35 Prozent der 69 SPÖ-Abgeordneten sind Frauen.

Grüne am weiblichsten

Die Grünen sind nicht mehr der jüngste Klub, wie zu Ende der vergangenen Legislaturperiode. Dafür halten die Grünen den Titel des "weiblichsten" Klubs: Von den 17 Abgeordneten sind 53 Prozent Frauen. Jüngste ist Eva Glawischnig mit 37, Ältester Parteichef Alexander Van der Bellen mit 62. Peter Pilz ist der einzige Abgeordnete, der schon beim ersten Nationalratseinzug der Grünen 1986 dabei war. Allerdings wechselte er 1991 in den Wiener Landtag und kehrte erst 1999 in den Nationalrat zurück. Dienstälteste Mandatarin nach Jahren ist somit Terezija Stoisits. Sie sitzt seit 1990 im Nationalrat.

ÖVP männlich

Vergleichsweise männlich dominiert ist der ÖVP-Klub. Nur 21 von 79 Abgeordneten oder 26,6 Prozent sind Frauen. Das Durchschnittsalter des Klubs beträgt 50,1 Jahre. Ältester Abgeordneter ist Roderich Regler mit 67 Jahren, am längsten dienen Nationalratspräsident Andreas Khol und Jakob Auer. Beide sitzen seit 1983 für die ÖVP im Nationalrat.

Über EU-Parlament

Mit einem Frauenanteil von insgesamt 32,7 Prozent im jetzigen Nationalrat liegt Österreich eine Spur vor dem Europäischen Parlament (31 Prozent) und muss sich um 0,1 Prozentpunkte dem Deutschen Bundestag geschlagen geben. Im Vergleich wesentlich geringere Frauenquoten erreichen die französische Nationalversammlung (59 von 577 Abgeordneten: 10,2 Prozent), das italienische Parlament (71 von 617 Abgeordneten: 11,5 Prozent) und das US-Repräsentantenhaus (14,2 Prozent). Im britischen House of Commons sind von 659 Abgeordneten 119 Frauen, also 18 Prozent. Einen deutlich höheren Frauenanteil hat das niederländische Parlament mit 38 Prozent. (APA)