Ein Schauspieler, der immer noch gerne mit der Kamera kokettiert: Christopher Buchholz porträtiert in "Horst Buchholz ... mein Papa" seinen Vater, den Star.

Foto: Filmladen

"Die Gefahr war, dass man keine Distanz halten kann": Christopher Buchholz und Koregisseurin Sandra Hacker.

Foto: STANDARD/ Fischer

Dominik Kamalzadeh sprach mit Christopher Buchholz und Sandra Hacker (Koregie).

Wien – Ein Star der Vergangenheit, der abgemagert, unrasiert und öffentlichkeitsscheu in einer Berliner Wohnung haust. Eine Interviewsituation, die zuallererst wie ein improvisierter Ausschnitt aus einem Home-Movie wirkt. Christopher Buchholz hat mit seinem Vater Horst Buchholz, dem berühmtesten "Halbstarken" des deutschen Nachkriegskinos, in den Jahren vor seinem Tod im März 2003 Gespräche über seine Profession, seine Karriere und seine Lebensauffassungen geführt.

Die Idee zum Film kam erst nach und nach. Das Ergebnis, der Dokumentarfilm "Horst Buchholz ... mein Papa", den er gemeinsam mit Sandra Hacker realisiert hat, ist nicht nur ein entsprechend unkonventionelles Porträt eines Schauspielers, der sich von der Welt abgekapselt hat und sich auf seinem Ruhm nicht ausruhen will. Vor allem überzeugt der Film als vielschichtige Annäherung an einen Vater, bei der auch die unbequemeren Seiten der Familiengeschichte nicht ausspart werden.

STANDARD: In Ihrem Film durchdringen sich mehrere Perspektiven auf Horst Buchholz. Das Bild des Stars trifft auf jenes des Vaters. Von welchem der beiden gingen Sie aus?

Christopher Buchholz: Zunächst ging es nur darum, ihn zum Reden zu bringen. Meinem Vater ging es damals nicht gut. Er hat wenig gearbeitet, ich habe seit Jahren zu ihm gesagt, er soll eine Biografie schreiben. Er hat es aber weggeschoben. Also begann ich, ihm Fragen zu stellen, allein, zu Hause. Dann hab ich eine Kamera geholt. Das hat gut funktioniert, obwohl es schwierig ist, wenn man etwas über die eigene Familie macht.

Sandra Hacker: Die Gefahr daran ist, dass man keine Distanz halten kann. Es war von Anfang an ja mehr ein Film von einem Sohn über seinen Vater als ein Starporträt.

STANDARD: Zu Beginn hat man den Eindruck, Sie wissen selbst nicht genau, worauf sie abzielen.

Buchholz: Normalerweise unterhielten wir uns ja in Englisch. Ich wollte den Film aber für ein deutschsprachiges Publikum machen, auf Deutsch, was merkwürdig war, weil bestimmte Automatismen fehlten. Das war gut, weil es dadurch nicht zu persönlich geworden ist. Ich wollte keinen Film drehen, in dem ich meinen Vater kaputtmache, aber über Sachen reden, die für ihn schwierig waren.

STANDARD: Über seinen Alkoholismus, seine Bisexualität ...

Buchholz: Diese Themen waren mir wichtig. Aber ich wollte keineswegs, dass er dabei seine Würde verliert. Vor allem nach seinem Tod, wo er sich nicht mehr wehren kann. Das Ergebnis finde ich gut, weil er nicht alles sagt. Selbst wenn er schweigt, sagt sein Gesicht ja zugleich sehr viel aus. Man bekommt ein Gefühl für sein Innenleben, weil das Schweigen auch länger durchgehalten wird.

STANDARD: Horst Buchholz spricht von einem Gefühl des "Déjà-vu". Er hat sich in sich selbst zurückgezogen.

Buchholz: Das Gute daran war, dass er nicht gespielt hat. Er ist ein Schauspieler, und meine Befürchtung war, er macht jetzt seine Show. Man merkt zwar, dass er das Publikum hinter der Kamera sucht. Aber er wollte sich nicht selbst stilisieren.

Hacker: Natürlich bleiben da auch Rätsel. Er hat nie reden wollen. Er windet sich in seinen Antworten auch manchmal heraus.

STANDARD: Sein Lebensmotto entnimmt er Thomas Manns "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull": "Liebe die Welt, und die Welt wird dich lieben." Haben Sie das nicht als Ausrede für seine Eskapaden empfunden?

Buchholz: Das ist natürlich ein super Satz. Er war ein Kind aus dem Krieg, das seinen Vater nie kennen gelernt hat. Ich glaube, er wollte in das Leben hineinbeißen. Ob er am Ende noch daran geglaubt hat, weiß ich nicht. Als junger Mensch hat er diese Energie sicher gehabt. Und Felix Krull ist ein Hochstapler – ein Schauspieler ist das ja auch. Man lügt, gibt aber zugleich auch von sich selbst viel preis.

STANDARD: Es bleibt aber auch Ambivalenz spürbar, etwa bei Ihrer Mutter Myriam Bru ...

Buchholz: Ja, das auch. Aber das ist immer so. Ein Mensch lebt so, wie er leben will. Und die anderen machen mit – oder auch nicht. Meine Mutter trifft ja auch Schuld. Sie hätte nicht mitmachen müssen. Sie hat an der Idee einer bürgerlichen Familie festgehalten.

STANDARD: Der Film leistet auch eine Revision seiner Karriere. Wie haben Sie die Auswahl des Filmmaterials getroffen?

Buchholz: Die Ausschnitte sind eher subjektiv gewählt. Die glorreichen Sieben fehlen ganz. Es ging immer mehr darum, etwas über ihn zu sagen, auch auf komische Weise. Oder als Kontradiktion: Er sagt etwas, aber das Bild aus dem Film widerspricht ihm daraufhin.

Hacker: Man muss mit den Ausschnitten sehr vorsichtig umgehen, denn wenn man sie zu lang zeigt, taucht man schon in den Spielfilm ein. Und will vielleicht gar nicht mehr zurück. Natürlich erfährt man auch von Dingen, die man bisher nicht wusste. Dass er attraktive Rollenangebote von Visconti oder Kazan ausgeschlagen hat ...

Buchholz: Aber das sagt auch viel über ihn aus.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.8.2006)