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Ithaka

Foto: Archiv
Armer, tapferer Odysseus! Diese ewigen Sommersaisonen voller Irrwege, eine Odyssee auf All-inclusive-Inseln mit ihren Poseidon-Clubs! Diese Nächte in der Disco mit all den Hexen hinter den giftgrünen Cocktails! Und der Wirbel und das Schrillen der Animations-Sirenen, und erst die Jahre, die er an fremden Stränden herunterbog.

Ein halbes Leben lang dauerte sein Heimweg mit Reise-Unbill aller Art, den man selbst als Urlaubsschnäppchenjäger nicht ärger erleben würde. Doch man kennt auch das Ende des homerischen Liedes: Weder Zyklopen noch die hübsche Circe konnten den Mann auf Dauer davon abhalten, seine geliebte Heimatinsel Ithaka anzusteuern. Wer einmal selbst hier landet, egal ob schiffbrüchig oder vom Reisebüro vermittelt, versteht auch auf Anhieb warum!

Schwierigkeiten, das kleine Eiland zu finden, haben Reisende trotzdem bis heute. Anreise per Flugzeug? Das verbietet man sich schon des großen Odysseus wegen. Also bleiben die Fährverbindung von Patras, vom nordgriechischen Astakós oder aber von den benachbarten Ionischen Inseln als einziger Weg, mit nautischen Öffis hier anzudampfen. Der große Ansturm bleibt vielleicht auch deswegen aus - und lässt Ithaka wie einen verwilderten Garten voll stiller Winkel aus dem Meer auftauchen.

Sicherer Hafen

Das bewahrheitet sich bereits nach kurzer Passage etwa mit der Lefkas-Kefalonia-Fähre. Gleich neben dem Fährhafen Piso Aetos - im Prinzip handelt es sich um ein bisschen rippigen Beton plus Hafenpolizist mit Spiegelbrille - kann man bedenkenlos baden - ganz ohne Diesel-Odeur. Und eine Serpentine höher bieten sich auch schon die Ruinen der als "Odysseus Castle" vermarkteten, antiken Stadt Alalkomene für eine archäologische Siesta zwischen Myrte und Mauerpfeffer an.

Spätestens hier scheiden sich denn auch die Geister. Wer das Verschlafene zum Ithaka-Programm macht, tut gut daran, in der Folge Ithakas kleine Weiler unter die Lupe zu nehmen. Das hoch in den Bergen thronende, mit Ruinen und Weinterrassen gespickte Bergdörfchen Perachori etwa, das mittelalterliche Ruinen und Fresken aufweist - aber noch nicht mal eine Taverne.

Auch das am inneren Ende einer Bucht gelegene Kioni zählt zu den Favoriten für lauschige Stunden, während das mit einem frei stehenden Glockenturm ausgestattete, und auf immerhin 556 Metern Höhe gelegene Kloster Katharon vor allem Panorama-Perspektiven garantiert. Reeder Onassis etwa zählte zu den zufriedenen Gästen des Klosters und ließ zum Dank prompt einen Leuchter springen.

Solcherart auf der Insel anzukommen ist freilich bloß die eine Seite der lokalen Touristik-Medaille. Denn schon haben sich die Leute von Ithaka eine neue Odyssee ausgedacht: Sie führt auf vermeintlichen Spuren des großen Inselhelden zu Plätzen, die findige Anrainer mit Homers Versen in Zusammenhang bringen. Zur Nymphengrotte, dem Schatzversteck der Odysseus-Habe etwa, einer kleinen Grotte oberhalb der Dexiá-Bucht, in der Tropfsteine - ins rechte Scheinwerferlicht gerückt - als Nymphen durchgehen.

Reiseführer Homer

Weniger Fantasie braucht man für das "Kasonaki Sculptured Grave" - einen tatsächlich aus dem Fels herausgemeißelten Sarkophag. Doch Odysseus Fußstapfen führen weiter: zur Schweinehirten-Weide des Eumäos auf dem Plateau von Marathia und an den Kieselstrand der Dexiá-Bucht, den homerischen Forkinos-Hafen, wo Odysseus seinen Fuß auf die Insel setzte.

Ob der Held von Troja auf Ithaka überhaupt zu Hause war, bleibt in Archäologenkreisen hingegen fraglich. Fakt ist, dass die nur durch einen 600 Meter breiten Isthmus geteilte Insel zu Zeiten des Trojanischen Krieges, also um 1200 v. Chr., bereits besiedelt war und dass sie seit zumindest 2500 Jahren den heutigen Namen trägt. Fakt ist ferner, dass sich die Archäologie schon früh mit Ithaka beschäftigte - ohne gesicherte Beweise ans Tageslicht zu befördern.

Die Tavernenwirte der Insel glauben jedenfalls fest daran, dass man über ein paar hundert Ecken mit Odysseus verwandt sei. Doch kehrte der Verschollene anno 2006 als polyglotter Undercover-Captain heim, so wäre er am ehesten in Vathis elegantem "Yachting Club" anzutreffen. Die klassizistische Villa Drakoulis punktet mit Salon, Billard und Seerosen-Pool, und verwandelt sich im Sommer in einen schicken "Seefahrertreff". Tatsächlich könnte man sich kaum einen idealeren Hafen vorstellen als das Hauptstädtchen der Insel. Perfekt geschützt liegt Vathi - auf Griechisch: "die Tiefe" - in der tief eingeschnittenen Molos-Bucht. Wäre Odysseus Wikinger gewesen - prompt hätte er von einem Fjord gesprochen.

Zu den schönsten Häfen Griechenlands zählt das verschlafene 1500-Einwohner-Städtchen aber auch wegen der umliegenden Weinterrassen und Zitronenplantagen. Neben der spiegelglatten Wasserfläche zieht sich eine lange, recht unaufgeregt wirkende Promenade dahin. Ein exklusives Abenteuer hat wenige Meter dahinter die Familie Tsimaras gewagt. Das verrät ein Blick auf ihr Villen-Hotel Perantzada 1811, wo schneeweiße Panton-Stühle und moderne Fresken griechischer Künstler hier eine kleine, feine Designinsel innerhalb des Odysseus-Eilands entstehen ließen. Ein Aufbruch zu fremden Ufern auch das. (Robert Haidinger, Der Standard, Printausgabe 2./3.9.2006)