Hammerfest - 40 Millionen Euro ist die Ladung wert. Der Ladevorgang dauert einen halben Tag. Bei widrigen Witterungsverhältnissen können es auch 30 Stunden und mehr werden, bis der Schiffbauch voll ist und der Tanker wieder in See stechen kann.

"Das sind alles Berechnungen und Vorschauen. Wie es tatsächlich sein wird sehen wir 2007, wenn das erste Schiff verladen wird", sagt Ole Jansen. Er war früher in Südnorwegen als Ingenieur tätig und ist vor einem Dreiviertel Jahr in den Norden gezogen.

Gastransport

Kein Öl und auch keinen Fisch werden die Riesenschiffe mitnehmen, wenn sie den Hafen von Hammerfest verlassen. Es ist Gas, das in der nördlichsten Stadt der Welt für Goldgräberstimmung sorgt und wie Öl viele andere aus dem Süden in Höhe des 70. Breitengrades gelockt hat.

Vor 25 Jahren haben die Norweger ein großes Gasfeld entdeckt, das etwa 140 km vor Hammerfest liegt und Snohvit - Schneewittchen - getauft wurde. Das Meer ist dort 250 bis 345 Meter tief, die Gasblase liegt 2000 bis 3000 Meter darunter.

Trendwende

Jahrzehntelang wusste man nicht, wie man den Gasfund kommerziell nützen könnte. Der Gaspreis war vergleichsweise niedrig, die Förderkosten prohibitiv hoch. Erst der gestiegene Energiebedarf, das Anziehen der Gaspreise sowie verbesserte Technologie lösten eine Trendwende aus. Seit Anfang des Jahrzehnts ist der staatliche norwegische Öl- und Gaskonzern Statoil damit beschäftgt, einen Erdgas-Verflüssigungsterminal zu bauen, die erste ausschließlich für den Export bestimmte LNG-Anlage Europas. LNG steht für Liquified Natural Gas. Bei Abkühlung auf minus 162 Grad Celsius wird Erdgas zu einer klaren, farb- und geruchlosen Flüssigkeit. Das Volumen der Flüssigkeit entspricht rund einem Sechshundertstel des ursprünglichen Gasvolumens.

"Damit können wir die Märkte in den USA und im Süden Europas bedienen", sagte Odd Mosbergvik, stellvertretender Leiter der im Entstehen begriffenen LNG-Anlage auf Melkoya, einer mit Hammerfest per Tunnel verbundenen Insel.

Bauernhäuser geschliffen

Melkoya heißt Milchinsel.Das 100 Hektar große Eiland war bis zum Anrücken der ersten Bagger unberührtes Naturland, bewohnt von zwei Bauern, einigen Ziegen und Rentieren. Die Bauernhäuser wurden geschliffen, die Tiere aufs Festland gebracht, die Bauern entschädigt. Nun sind zeitweise mehr als 3000 Leute auf der Insel. Der Zeitplan drängt, 2007 soll die Anlage in Betrieb gehen.

Die Gesamtkosten geben die Statoil-Manager mit 7,4 Mrd. Euro an. Am Projekt beteiligt sind neben Statoil (33,53 Prozent) die in norwegischem Staatsbesitz befindliche Gesellschaft Petaro (30 Prozent), die französische Total (18,4 Prozent) und Gas de France (12,0 Prozent) Kleinere Beteiliguingen halten die deutschen Unternehmen Amerada Hess sowie RWE Dea.

Die Unterwasserinstallationen sind schon gemacht, mehr als 20 Pipelines mit einem Durchmesser von 20 Zentimeter vom Fundort weit draußen am Südrand der Barentsee zur Verflüssigungsanlage verlegt. Ein eigenes Kraftwerk mit einer Leistung von 250 Megawatt wird auf der Insel für die notwendige Energie sorgen, um das Gas in flüssigen Zustand zu bringen.

Kraftwerk

"Das kostet uns etwa zehn Prozent des geförderten Gases", sagte Statoil-Manager Mosbergvik. Die gigantischen Kosten machen ihm weniger Sorgen. Allein der norwegische Anteil werde sich etwa drei Jahre nach Inbetriebnahme amortisiert haben. Die laufenden Kosten seien im Verhältnis zum Verkaufswert des Gases vernachlässigbar.

In einer ersten Phase soll die Anlage 5,7 Mrd. m3 Gas in flüssigen Zustand bringen. Zum Vergleich: Österreich verbraucht pro Jahr etwa acht Mrd. m3 Erdgas. Als Gegenstück werden Anlagen benötigt, wo das verflüssigte Gas wieder rückverwandelt wird. Die OMV verfolgt ein Projekt in Krk, Kroatien. Eine Machbarkeitsstudie, in die auch Eon/Ruhrgas eingebunden ist, soll Klarheit bringen. (Günther Strobl, DER STANDARD Printausgabe, 06.09.2006)