"Watercube", National Swimming Center, Peking, China 2003 bis 2008 - der Entwurf einer Schwimmhalle für die Olympischen Spiele in peking, der Design und Statik auf das Bild von wasserblasen stützt.

Foto: PTW Architects + CCDI + ARUP
Wird das Essen aus Tuben kommen? Werden wir den Verkehrsstau mit durch die Luft sausenden Autos umgehen? Sind Roboter unsere neuen Haustiere? In den 80er-Jahren hatten Visionen für das Jahr 2000 Hochkonjunktur. Heute erscheinen solche Zukunftsbilder oft abgestanden. Und doch kommt die Menschheit nicht von der Frage los, wie wir morgen wohl leben werden - etliche Vorträge und Publikationen gleichen Titels haben dies in der Vergangenheit bewiesen. Den allerjüngsten Versuch startet in Essen die Designausstellung Entry 2006, die noch bis zum 3. Dezember laufen wird. Auf dem Gelände der stillgelegten und zum Unesco-Welterbe gehörenden Zeche Zollverein - mit der weltweit einzigen Industrieanlage komplett im Bauhausstil - präsentieren die Macher eine Zukunft, die sich vor allem durch eines auszeichnet: Man erwartet gar nicht mehr die eine gültige Antwort. Die Zeit der Visionen ist vorbei.

Fachveranstaltung und Publikumsmagnet

Vier Themenfelder warten auf die Besucher, mit mindestens 200.000 Interessierten rechnen die Veranstalter, die wissen, dass sie mit der fast neun Millionen Euro teuren Entry den Spagat zwischen Fachveranstaltung und Publikumsmagnet schaffen müssen. Große Namen dienen zumindest schon mal als Hinhörer:

Kuratoren wie Peter Reed vom Museum of Modern Art New York, Alexander von Vegesack vom Vitra Design Museum etwa und auch Rem Koolhaas, der das backsteinerne Kohlenwäsche-Gebäude zum Ausstellungsraum umgebaut hat. Das gesamte Gelände der Zeche soll zum internationalen Design-Zentrum werden.

Schon jetzt logieren hier das red dot design museum und die neue School of Management and Design im Ambiente von Schornsteinen, Förderbändern, Schienensträngen, Wasserbecken und viel Grün. Blickfang von Koolhaas: die 58 Meter lange, frei stehende Rolltreppe, die zu einer von vier Ebenen der Ausstellung führt, wobei sich die Entry aber durchaus auch als Event versteht: Forum für Designer, Architekten, Wissenschafter, Urbanismus-Kongress, Marktplatz für Nachwuchskreative und Unternehmer, Workshops, Streitgespräche, Familienfesttage und einiges mehr - quasi Kulturhauptstadt im Kleinen - 2010 wird ganz Essen den großen Titel tragen.

Doch worum geht es im Detail? Talking Cities, Groundswell, Open House, Second Skin nennen sich die vier Themenkomplexe der Entry. "Talking Cities": Hier wird die Zukunft des urbanen Raums behandelt: Wie können Städte an den Rändern, in Anbauten, in Brachen neu- oder umgenutzt, Bausünden aus der Vergangenheit bereinigt werden? Das weiterführende Thema "Groundswell" befasst sich dann mit Landschaftskonzepten, stellt Renaturierungsprojekte vor.

Das homöostatische Haus

In "Open House" werden Architektur und Technologie für intelligentes Wohnen präsentiert, die mehr als intelligente Häuser sein sollen. Etwa eine Hütte für die Wüste, deren Außenmembran der menschlichen Haut ähnelt und somit im Inneren der Behausung extreme Temperaturschwankungen ausgleichen kann.

Neue Werk- und Rohstoffe für Mode, Möbel, Medien, Gesundheit und Architektur finden sich schließlich in der Rubrik "Second Skin", so zum Beispiel ein Gewebe produzierendes Pilzkleid, flexible Roboterhaut oder einfach mehr oder weniger ausgefallene Designobjekte.

Am ergiebigsten, am erkenntnisstiftendsten ist die Entry wahrscheinlich dort, wo sie vom klassischen Industriedesign wegführt, hin zu den Bits und Atomen, zur Neu- und Gentechnik, dem B.A.N.G.-Design. Wie das unsere Zukunft gestalten wird und was daraus für das klassische Design resultiert, sind Fragen, denen wir weniger aus dem Weg gehen sollten als jenen rein ästhetischen: ob etwa eine Glühbirne verrückte Silikonpfropfen braucht oder nicht. (Mareike Müller, Der Standard/Rondo/08/09/2006)

Zum Interview mit dem Spanier Martí Guixé, einem bekennenden Ex-Designer.