Havanna/Caracas - Mit einer per Konsens verabschiedeten Erklärung endete am Samstag in der kubanischen Hauptstadt Havanna das Gipfeltreffen der Blockfreien-Bewegung. In der Deklaration erhielten Bolivien, Venezuela und Kuba moralische Unterstützung gegen die Einmischung der USA in interne Angelegenheiten. Bemerkenswert ist, dass die Erklärung auch von De-facto-Verbündeten der USA wie Pakistan und Katar mitgetragen wurde.

Recht auf Nuklearprogramm für Iran

Gleichzeitig wurde dem Iran ausdrücklich das Recht auf ein eigenes Nuklearprogramm für friedliche Zwecke zugestanden, Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad jedoch dazu aufgerufen, mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zusammenzuarbeiten. Ahmadi-Nejad hatte zuvor die USA als "eigentliche atomare Gefahr" bezeichnet. Außerdem schlug er vor, den USA und Großbritannien den ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat abzuerkennen und dagegen einen Vertreter der Blockfreien zu entsenden. Israel wurde wegen seiner Offensive im Libanon und der Besetzung der Palästinensergebiete scharf verurteilt.

Versöhnliche Töne

Doch es gab auch versöhnlichere Töne: So starteten Indien und Pakistan eine neue Friedensinitiative. Die Gespräche über die umstrittene Region Kaschmir sollen auf Ministerebene wiederaufgenommen werden.

Diese Mischung zeigt die Heterogenität der Bewegung: Mitglieder wie Chile und Indien mahnten zu einer gemäßigten, international glaubwürdigen Position und bremsten damit Länder wie Iran, Nordkorea und Kuba, die von den USA Staaten zur "Achse des Bösen" gezählt werden. UN-Generalsekretär Kofi Annan erinnerte als Gastredner die blockfreien Staaten an die Einhaltung der Menschenrechte. Annan forderte auch verstärkten Kampf gegen Korruption und ein "Ende der Unterdrückung von Oppositionsgruppen und Medien". An die Unterdrückung Andersdenkender auf Kuba erinnerten am Samstag die "Damen in Weiß" - Ehefrauen inhaftierter Regimekritiker - mit einem Schweigemarsch durch Ha-vanna.

Perez Roque zufreiden

Sehr zufrieden mit dem Ergebnis zeigte sich der gastgebende Außenminister Felipe Perez Roque. Kuba hatte sich vorgenommen, der Bewegung, die ursprünglich als Alternative zwischen West und Ost im Kalten Krieg entstand, einen neuen, antiimperialistischen Anstrich zu geben. Auch Venezuelas Staatschef Hugo Chávez konnte zufrieden sein. Er sammelte weitere Unterstützung für den angestrebten Einzug Venezuelas als nicht ständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat und verkündete, die nötigen Stimmen bereits zusammenzuhaben. Dieses Ansinnen stößt insbesondere bei den USA auf Kritik. Sie halten Chávez für einen kommunistischen, antiamerikanischen Aufwiegler.

Geistiger Ziehsohn

Chávez selbst sieht sich als geistiger Ziehsohn des gastgebenden kubanischen Staatschefs Fidel Castro. Der 80-Jährige war durch die Folgen seiner Darmoperation ans Bett gefesselt. Im Krankenzimmer empfing er einige Gäste. Auch Chávez machte ihm seine Aufwartung und verkündete anschließend eigenmächtig beim Gipfel, er werde Fidels Redezeit zu seiner dazuzählen. Dann zog er eine Dreiviertelstunde lang über die USA her - dreimal länger als Fidels offizieller Stellvertreter und Bruder Raúl Castro, der den USA "irrationales Weltmachtstreben" vorwarf.

Wie dauerhaft die Renaissance der Blockfreien ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Einige Analytiker sehen einen direkten Zusammenhang zwischen den derzeit hohen Rohstoffpreisen und der linken Rhetorik, gepaart mit "autoritärem Petropopulismus" zahlreicher Mitgliedsstaaten.(Sandra Weiss,DER STANDARD, Printausgabe, 18.09. 2006)