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Irans Atomprogramm ist friedlich, Washington böse und der Sicherheitsrat ein unglaubwürdiges Instrument der westlichen Mächte zur Nötigung des Rests der Welt: Ahmadi-Nejad holte in New York rhetorisch zum Rundumschlag aus.

Foto: REUTERS/RAY STUBBLEBINE
Mahmud Ahmadi-Nejad kommt sofort zur Sache. "Ich lobe den Gnadenvollen, den allmächtigen Gott", ruft er in das weite Rund der UN-Generalversammlung. Rund ein Dutzend Mal wendet sich Irans Präsident in seiner Rede in der Nacht auf Mittwoch an Allah. Noch öfter schlägt er auf die verhassten USA ein: Fast in jedem zweiten Satz setzt es Hiebe.

Es war ein Showdown, wie ihn nur die Vereinten Nationen bieten können: Zwei verfeindete Staatspräsidenten ringen rhetorisch um die Gunst der Welt. Am Morgen verteidigte US-Präsident George W. Bush robust seine Politik. Am Abend geht Ahmadi-Nejad in die Offensive.

Dem Auftritt des kleinen Mannes mit den fanatischen Visionen zitterte die UNO entgegen. Würde er wieder den Holocaust leugnen? Würde er wieder zur Vernichtung Israels aufrufen? Er tat es nicht, nicht direkt. Zwischen den Zeilen aber schimmerte seine Botschaft durch: Die Sieger des Zweiten Weltkrieges hätten einen Staat auf Kosten von "Millionen rechtmäßiger Besitzer" angelegt.

Immer wieder trommelt der Mann aus Teheran mit den Fingern aufs Pult, reißt den Mund weit auf, fast zwanzig Minuten lang. Den USA und Großbritannien wirft Ahmadi-Nejad vor, den UN-Sicherheitsrat als Instrument der Bedrohung und Nötigung zu missbrauchen. Damit büße der Rat seine Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit ein. Das Ergebnis sei an dem zunehmenden Vertrauensverlust der Weltgemeinschaft abzulesen. "Das Verhalten einiger Mächte ist die größte Herausforderung an den Sicherheitsrat, die (UN-)Organisation und ihre angegliederten Agenturen." Die Reform des Sicherheitsrats sei unabdingbar. Und das Atomprogramm seines Landes, versichert er, sei "transparent, friedlich". Am Ende gibt es noch einen Dank an Gott. UN-Vizegeneralsekretär Mark Malloch Brown schüttelt dem Präsidenten die Hand. Ahmadi-Nejad verschwindet in den Kulissen.

Boykott der USA

Die US-Delegation boykottierte den Auftritt; nur ein Juniordiplomat notierte den Redeschwall. Vorher hatten jüdische und konservative Gruppen sowie Israel heftig protestiert: Ein Brandstifter wie Ahmadi-Nejad dürfe nicht vor das Parlament der Menschheit.

Zum direkten Zusammenprall der Antagonisten Bush und Ahmadi-Nejad kam es nicht. Weder in den langen Fluren des UN-Gebäudes liefen sich die beiden über den Weg, noch aßen sie gemeinsam bei einem Farewell-Lunch für den scheidenden Generalsekretär Kofi Annan. Offiziell bemühen sich US-Vertreter, die Anwesenheit des wütenden Mannes aus dem Orient herunterzuspielen. "Wir sprechen hier über den ehemaligen Bürgermeister von Teheran", höhnt ein Angehöriger des Bush-Teams. "Es handelt sich nicht um Chruschtschow und Kennedy, die sich zum ersten Mal ab- tasten."

Ahadi-Nejad, so dürfte man vermuten, wollte einem Treffen mit Bush nicht ausweichen. Immerhin richtete er schon Briefe an seinen Präsidenten-Kollegen. Und er forderte den Texaner zum direkten TV-Schlagabtausch auf. Allerdings: Wäre es zum direkten Duell der beiden Staatsmänner gekommen, hätte Bush seinen Widersacher schon physisch in den Schatten gestellt. Der US-Präsident überragt Irans Präsident fast um einen Kopf. (Jan Dirk Herbermann aus New York, DER STANDARD, Print, 21.9.2006)