Archivaufnahme von Ruth Klüger aus dem Jahr 2001.
Foto: STANDARD/Fischer
Wien - Frauenministerin Maria Rauch-Kallat überreichte am Donnerstag im Parlament der Germanistin Ruth Klüger den Käthe Leichter-Staatspreis für Frauen- und Geschlechterforschung. Klüger, heute im Ruhestand, hat in den USA eine viel beachtete akademische Karriere gemacht und in Österreich und Deutschland zahlreiche Publikationen wie "Frauen lesen anderes" veröffentlicht, wobei sie stets mit sozialhistorischem und geschlechterspezifischem Blick lehrte und forschte. Anerkennungspreise gingen an Andrea Ellmeier, Andrea Griesebner und Anita Prettenthaler-Ziegerhofer.

Tradition wieder aufleben lassen

Rauch-Kallat ging in ihrer Eröffnungsrede auf das Leben und Wirken von Käthe Leichter ein und erinnerte daran, dass die Nationalökonomin das Schicksal vieler Frauen Österreichs teile, die trotz innovativer Leistungen in Vergessenheit geraten seien. Es sei ihr in diesem Sinn ein persönliches Anliegen gewesen, die Tradition der Vergabe eines Käthe Leichter-Staatspreises wieder aufleben zu lassen, sagte sie, um die Erinnerung an Leichter wach zu halten. Leichter habe sich in beeindruckender Weise sowohl beruflich als auch politisch für Frauenrechte eingesetzt, betonte Rauch-Kallat, und bereits in den dreißiger Jahren die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Thema gemacht.

Isabella Ackerl hielt Laudatio

Die Laudatio auf die Preisträgerinnen hielt die Historikerin Isabella Ackerl, Mitglied der Jury des Käthe Leichter-Preises. Sie hob unter anderem hervor, dass sich Ruth Klüger, die ihre Kindheit in Wien verbracht hatte, von den Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager deportiert wurde und mit 16 Jahren in die USA emigrierte, unter anderem mit der vielfach diskriminierenden Darstellung von Frauen in der Literatur beschäftigt habe und durch ihre klare Sprache Einsichten in die Lebenssituation von Frauen eröffne.

"Gleichberechtigung auf wackeligen Füßen"

Ruth Klüger selbst berichtete von ihrer Gastprofessur an der Universität Wien und schilderte, dass zu ihren Vorlesungen über Autorinnen und Dichterinnen kaum Männer gekommen seien. Männer lesen selten Werke von Frauen, kritisierte sie, während es für Frauen selbstverständlich sei, Bücher von Männern zu lesen. Die Gleichberechtigung stolpere, so Klüger, "immer noch mit wackeligen Füßen herum" und falle immer wieder auf die Nase. Besondere Kritik übte sie an den "Männern an den Universitäten", die ihrer Meinung nach versagen.

Frauenforschung an Unis verstärken

Andrea Ellmeier wies auf die schwierigen Lebensumstände von freien WissenschafterInnen hin und appellierte an die Politik, feministische Forschung und Frauenforschung stärker an den Universitäten zu verankern. Anita Prettenthaler-Ziegerhofer bezeichnete den ihr verliehenen Preis als "legales Doping" und kündigte an, weiter aktiv die Leistungen der "kleinen und großen Töchter Österreichs und Europas" sichtbar machen zu wollen.

Der mit 4.000 € dotierte Käthe Leichter-Staatspreis wird vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen verliehen, ausgezeichnet werden besonders hervorragende Verdienste um die Frauen- und Geschlechterforschung im Bereich der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften sowie Verdienste um die Frauenbewegung und die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit. Arbeiterkammer, Oesterreichische Nationalbank und Bildungsministerium vergaben zusätzlich Anerkennungspreise.

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Die Preisträgerinnen

Ruth Klüger war unter anderem Professorin für Germanistik an der University of California in Irvine sowie an der Universität Göttingen und Gastprofessorin an der Universität Wien. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie z.B. den Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik 1998 und den Bruno-Kreisky-Preis 2002. Ihr jüngstes Buch "Gelesene Wirklichkeit" ist 2006 in Göttingen erschienen.

Andrea Ellmeier ist Kulturwissenschafterin und Historikerin und befasst sich im Rahmen der Frauen- und Geschlechterforschung vor allem mit der Geschichte der Konsumkultur, der Konstruktion der Konsumentin und der europäischen Kultur- und Medienpolitik. Unter anderem untersuchte sie etwa die Frage der prekären Beschäftigungsverhältnisse im Kulturbereich.

Andrea Griesebner ist ao. Universitätsprofessorin für neuere Geschichte am Institut für Geschichte der Universität Wien. Ihre historischen Forschungen haben ihren Fokus auf der Geschlechtergeschichte der frühen Neuzeit, zudem beschäftigt sie sich intensiv mit Theorie und Methodologie der Geschichtswissenschaften sowie mit feministischer Theorie. Zu ihren zahlreichen Publikationen zählt auch das Buch "Feministische Geschichtswissenschaft. Eine Einführung", das 2005 im Löcker Verlag erschienen ist.

Anita Prettenthaler-Ziegerhofer ist ao. Universitätsprofessorin für Zeitgeschichte an der Universität Graz und Mitglied des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Ideengeschichte der "Vereinigten Staaten von Europa", daneben zählen auch "gender studies" zu ihrem Forschungsbereich. So widmet sich Prettenthaler-Ziegerhofer in ihren Lehrveranstaltungen etwa dem Thema "Sichtbarmachung des weiblichen Geschlechts". 2004 erhielt sie den Kardinal Innitzer- Forschungsförderungspreis, 2005 den Leopold Kunschak- Forschungsförderungspreis.

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Der Käthe Leichter-Staatspreis und die Anerkennungspreise sollen an das Leben und Wirken der Nationalökonomin Käthe Leichter erinnern. Sie war erste Frauenreferentin der Arbeiterkammer und sowohl wissenschaftlich als auch politisch im Interesse der Frauen tätig. Ihre sozialpolitischen Erhebungen über die Lage der Hausgehilfinnen oder der Heim- und Industriearbeiterinnen und das Handbuch der Frauenarbeit gehören zu den wichtigsten frauenpolitischen Publikationen der Zwischenkriegszeit. Neu an ihren Studien und Analysen war nicht nur, dass sie sich speziell mit der Situation der Frauen beschäftigten, sondern auch, dass diese auf der Erfahrung von Frauen beruhten und von Frauen verfasst wurden.

Nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1934 arbeitete Leichter im Untergrund und gehörte zu den GründerInnen der Revolutionären Sozialisten. Im Mai 1938 wurde sie von der Gestapo verhaftet, später ins Konzentrationslager Ravensbrück transportiert und schließlich im Zuge des nationalsozialistischen Euthanasie- Programms im März 1942 mit Giftgas ermordet. (red)