Warschau - Der Chef des Ständigen Komitees der polnischen Regierung, Przemyslaw Gosiewski, von der rechtskonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat am Freitag im Radiosender TOK FM eine Änderung des Wahlgesetzes vorgeschlagen, die einer siegreichen Partei bei den Parlamentswahlen über 50 Prozent der Mandate gewährleisten würde. Das sollte vor der Wiederholung eines politischen Patts im Fall vorgezogener Neuwahlen schützen. Der berühmte polnische Verfassungsrechtler Piotr Winczorek von der Warschauer Universität sagte, dass eine solche Änderung verfassungswidrig sei.

Laut Umfragen wäre die Bildung einer regierungsfähigen Mehrheitskoalition im neuen Parlament genauso schwierig wie momentan. "Wenn in Polen schnell Neuwahlen veranstaltet werden, müsste sie ausschlaggebend sein", sagte Gosiewski im Radio. Er wies auf ähnliche Lösungen in Italien und früher in Griechenland hin, wo der Sieger über 50 Prozent der Mandate bekommt und allein eine Regierung bilden kann, ohne auf schwierige Kompromisse bei der Koalitionsbildung angewiesen zu sein. Gestern stellte der Fraktionsvorsitzende der PiS, Marek Kuchcinski, den Vorschlag dem Chef der größten Oppositionspartei der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) vor. "Wir haben noch keine Antwort bekommen", so Gosiewski.

Tusk sagte heute im Radiosender Trojka, dass seine Partei die Entscheidung über die vorgeschlagene Änderung des Wahlgesetzes erst dann treffen wird, wenn der konkrete Wortlaut der Änderung bekannt wird. "Es wäre selbstverständlich besser, wenn die Regierung in Polen einen einheitlichen und nicht Koalitionscharakter hätte. Man kann heute beobachten, wie exotische Koalitionen enden. Aber beunruhigt auch die schlimme Gewohnheit, dass man das Wahlgesetz offensichtlich nach eigenem politischen Interesse ändert", sagte Tusk gegenüber der PAP. Seiner Meinung nach ist die Schlüsselfrage, ob die Änderung verfassungsgemäß sei.

"Die von Gosiewski vorgeschlagene Änderung ist verfassungswidrig", sagte der Verfassungsrechtler Piotr Winczorek. "Laut Verfassung muss die Wahl in Polen proportionell sein. Die Änderung widerspricht offenkundig dem Prinzip", so Winczorek. Er gab zu, dass zur Einführung dieser Änderung die Novelle des Grundgesetzes erforderlich wäre. Um die Verfassung zu ändern, braucht man eine Zwei-Drittel-Merheit (307 Stimmen) im Unterhaus des Parlaments (Sejm). PiS und die PO verfügen gemeinsam über 286 Mandate. Diese Änderung liegt im Interesse keiner anderen Partei. (APA)