Buchauszug:

"Ist Österreich also ein 'deutsches Land'? 'Deutsch' im engeren Sinn, im Sinn einer großdeutschen Sprachnation natürlich - schon aus Verfassungsgründen - nicht. Die Abgrenzung gegenüber Deutschland über die österreichische Varietät der deutschen Sprache, das Österreichische Deutsch, über Erdäpfel, Marillen, Topfengolatschen und Burenwürste, ist im Gegenteil sogar sehr wichtig.

Aber ein österreichisch-deutsches Land sehr wohl. Und das trotz oder vielleicht gerade wegen europäischer Integration und Globalisierung, sodass die Zweite Republik heute mehr denn je zu einer 'Republik Deutsch-Österreich' zu werden scheint."

"Daham statt Islam". "Deutsch statt nix verstehn". Wie fühlt sich eigentlich ein Linguist, wenn er die Wahlslogans von HC Strache liest? "Ich ärger mich fürchterlich und denk mir, dass das unfair ist, im Wahlkampf Menschen so gegeneinander auszuspielen, auf Kosten von sprachlichen Minderheiten politisches Kleingeld zu machen." Sprachwissenschafter Rudolf de Cillia findet klare Worte zu dieser Art des Wahlkampfes.

Sprache im Vordergrund

Aber schon in den vergangenen Jahren sei die Stellung der deutschen Sprache in Österreich immer mehr in den Vordergrund gerückt, so de Cillia: Integrationsvereinbarung, neues Staatsbürgerschaftsrecht und Kärntner Ortstafelstreit seien "der vorläufige Endpunkt in einer Entwicklung der österreichischen Sprachenpolitik der Zweiten Republik". Im kürzlich im Studienverlag erschienenen Band "Ist Österreich ein ‚deutsches’ Land?", den de Cillia gemeinsam mit Ruth Wodak publizierte, wird genau dieses Problem thematisiert.

"Für das Buch hatten wir in etwa 100 Seiten zur Verfügung, und wir mussten daher auswählen, denn der Bereich Sprachenpolitik hätte noch viel mehr hergegeben. Wir haben uns auf die Rolle der Staatssprache Deutsch und die Minderheitensprachen konzentriert", so de Cillia. Das Fazit des Buches: "Paradoxerweise wurde die deutsche Staatssprache immer wichtiger, paradoxerweise deshalb weil wir in einem Zeitalter der Internationalisierung, der Globalisierung, der Europäisierung leben".

Diktat des Staates

Die politischen Weichenstellungen der vergangenen Jahre sieht der Wissenschaftler kritisch. "Maßnahmen wie die Integrationsvereinbarung dienen nicht der Integration. Das ist ja keine Vereinbarung, sondern ein einseitiges Diktat des österreichischen Staates." Dass immer wieder Versuche unternommen werden, das Erlernen von Türkisch oder Slowenisch als "belastend" oder "schädlich" darzustellen, erklärt sich de Cillia mit der suggerierten niedrigeren Wertigkeit dieser Sprachen: "Niemand würde es wagen, das Englisch-Lernen als schädlich darzustellen". Mehrsprachigkeit sei heute mehr denn je eine Anforderung an das Individuum. Dass die FPÖ beispielsweise im Kärntner Minderheitenschulgesetz "Slowenisierungspolitik" ortet und die "sofortige Aufhebung des Zweitlehrer-Systems" fordert, sei absolut nicht nachvollziehbar.

Genausowenig, wie die Ankündigung in BZÖ-Inseraten: "Kärnten wird einsprachig!": "Wenn man verfassungsrechtlich anerkannte und schützenswerte Sprachen so behandelt, ist das grotesk". (Anita Zielina)