Blick zurück: Wolfgang Murnbergers „Ich gelobe“ kam anno 1994 in die heimischen Kinos. Der Film war großflächig (und effektiv) beworben worden – mit rund 52.000 Zuschauern rangiert er noch Ende 2005 auf Platz 33 von 233 ausgewerteten heimischen Produktionen. Die geweckten Erwartungen wurden erfüllt. Es handelte sich um einen Film, der endlich einmal in Tonfall, Typen, Sprache, Schmäh nahe an der österreichischen Realität wohnte (wiewohl der Film diese als vergangene deklarierte: „Oggau 1980“). Der mit einem realen Außen korrespondierte und dieses zugleich in eine höchst unterhaltsame Fiktion übersetzte.

 

"Ich gelobe" führte in eine Männerwelt, die ein Gutteil der Österreicher noch heute passieren muss. Seine Helden sind junge Präsenzdiener, sein Sujet deren Alltag zwischen Drill und Trott, zwischen Morgenlatte und Vollrausch, zwischen Tagwache und Wachtraum. Am Faden der Stimme von Wehrmann Berger, der sich im Reden seiner selbst vergewissert, geht man durch eine achronologische Sammlung von typischen Situationen und Erlebnissen – vordergründig an der Maxime von Wehrmann Rumpler orientiert („fressen, saufen, schnacks’ln und drüber lachen“), während nebenbei anderes ins Bild gerät, hörbar wird:

Zum Beispiel unterschiedliche Dialekte oder zeitgenössische Popkultur (die Amateur-New-Wave-Band Adi Amok, Palästinenserschals, der Club 2 und Rambo), die Tatsache, dass der Wehrdienst nach dem Ministrieren nur eine weitere institutionelle Durchgangsstation markiert, oder das Leben in der Provinz mit seinen Traditionen und die Unruhe, die jene erfasst, denen dieses Leben nicht genügt. Das alles erzählt mit großer visueller Klarheit, in tendenziell statischen (Detail-)Aufnahmen, die sich abwechseln mit langsamen, vorwiegend horizontalen Fahrten.

„Ich gelobe“ lief damals unter anderem in der Inneren Stadt im altgedienten Kruger-Kino, das Ende 1996 seinen Betrieb einstellte. (Sich) daran zu erinnern passt auch gleich gut zu „Himmel oder Hölle“, Murnbergers ebenso sehenswertem Langfilm-Debüt aus dem Jahr 1990 ("Ich gelobe" kann als die Fortführung der darin entworfenen Biografie gelten):

Zu Beginn kommt ein Zug am Bahnhof von Wiesen an, auf dem Bahnsteig wird ein Paket abgesetzt. Es ist die wöchentliche Filmlieferung fürs Landkino.

Und in weiterer Folge wird – mit großer Sensibilität für Milieus, Sprache, Alltagskultur – erzählt, wie das Kino als heimliche Schule des Lebens für seinen kindlichen Protagonisten den Blick auf die Welt und stets auch deren visionäre Überschreitung formatiert.

Auch „Himmel oder Hölle“ ist übrigens mit der heimischen Mediengeschichte verknüpft: Er wurde 1992 im Rahmen der ORF-Kunststücke ausgestrahlt – dieses für das österreichische Filmschaffen so wichtige Fernsehformat gibt es ebenso wenig mehr wie das Kruger- Kino. Aber die Filme, die gibt es noch.

Isabella Reicher, Filmkritikerin des Standard, Redakteurin von „kolik.film“