Warschau - Die gemäßigte polnische Bauernpartei PSL ist möglicherweise zur Beteiligung an der Regierung von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski bereit. Derzeit seien die Gespräche ausgesetzt und "niemand hat sie wieder neu aufgenommen", sagte der führende PSL- Politiker Jaroslaw Kalinowski am Freitag im polnischen Rundfunk. Sollte es ein förmliches Koalitionsangebot geben, werde die Parteiführung Ende kommender Woche darüber entscheiden.

Kaczynski ist auf der Suche nach einer neuen Mehrheit für die Regierung seiner nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), nachdem die Koalition mit der radikalen Bauernpartei Samoobrona vor einer Woche zerbrochen war.

Die PiS hat nur 154 von 460 Abgeordnetenmandaten, die 25 PSL- Abgeordneten allein würden ihr zusammen mit den 29 Parlamentariern der als Koalitionspartner verbliebenen nationalistischen Liga Polnischer Familien (LPR) noch nicht zur Mehrheit verhelfen. "Wenn es keine Mehrheit gibt, hat es keinen Sinn, über irgendetwas zu reden", erteilte Kalinowski dem Gedanken an die Mitarbeit in einer Minderheitsregierung eine Absage.

Anzeige gegen Staatssekretäre

Die Samoobrona-Abgeordnete Renata Beger erstattete am Freitag bei der Warschauer Staatsanwaltschaft Anzeige gegen zwei Staatssekretäre in Kaczynskis Regierungskanzlei, die sie eines Bestechungsversuchs beschuldigte. Der Fernsehsender TVN hatte am Dienstag ein mit versteckter Kamera aufgezeichnetes Gespräch gezeigt, in dem Kaczynskis Kanzleichef ihr einen Posten als Staatssekretärin in Aussicht gestellt hatte, sollte sie Samoobrona verlassen und die Regierung unterstützen.

Kaczynski schloss in einem Interview der Zeitung "Rzeczpospolita" (Freitag) nicht mehr aus, auch ohne Mehrheit im Parlament zu regieren. "Wir sind nicht in einer Situation, in der wir die Macht verlieren müssen", sagte er mit Blick auf die nächste Plenarsitzung des polnischen Parlaments vom 10. bis 13. Oktober. Auf der Sitzung soll über den Antrag der Opposition auf Selbstauflösung des Parlaments abgestimmt werden. Dafür ist allerdings eine Zwei-Drittel- Mehrheit erforderlich. Bisher hatte Kaczynski betont, er wolle mit einer Mehrheit regieren. Sei das nicht möglich, seien vorgezogene Neuwahlen nötig. (APA/dpa)