Sandro und Carla Balogh trafen einander in Portugal. Jetzt übernahmen sie "Vikerls Lokal" in Fünfhaus.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Fotos: Gerhard Wasserbauer

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Vikerl Weidinger segelt seit fünfzehn Jahren als Skipper und Kombüsenkoch durch die Karibik, allein das Lokal, das er einst in einer (bis auf ein Rotlicht) recht verdunkelten Wiener Vorstadtgasse eröffnete, trägt noch immer seinen Namen - obwohl Nachfolger Adi Bittermann den Ruf zumindest ebenso geprägt hat und soeben der dritte Nachbesitzer eingezogen ist.

"Vikerls Lokal hat einen derart guten Ruf, dass es schlicht deppert gewesen wäre, es anders zu nennen", erklärt Sandro Balogh, der seit zwei Wochen Chef des Lokals in der Würffelgasse ist. Adi Bittermann, der am 10. Oktober sein neues Landgasthaus in Göttlesbrunn eröffnen wird, hat ihm, gerade was das gepflegt Abseitige der Wiener Küche betrifft, einiges vorgelegt. Nicht zufällig war das abgelegene Lokal mit der Holztäfelung und den bunten Lampenschirmen stets gut besucht - und zwar fast durchwegs von Leuten, die sich auf ihre Feinschmeckerei ziemlich was einbilden dürfen.

Die guten Gäste können beruhigt sein. Balogh und seine portugiesische Frau Carla, die er einst "auf Saison" an der Algarve kennengelernt hat, machen Bittermanns Erbe alle Ehre. Insbesondere die Innereien, für die das Vikerls stets berühmt war, werden vom neuen Chef mit einem Raffinement gepflegt, das sich mit den ganz Großen auf diesem Gebiet - und das sind hierorts Christian Petz und Reinhard Gerer - messen kann. Preislich spielt Balogh freilich in der Regionalliga.

Der Kalbskopf etwa wird hauchdünn geschnitten, zwischen zwei ebensolche Scheiben Weißbrot gelegt, in Butterschmalz knusprig gebraten und auf ein Ragout von Petersilwurzeln gebettet, das mit Apfelessig und Kren derart himmlisch abgeschmeckt ist, dass man vor Glück bloß "mehr davon" japsen kann. Weiße Nierndln, ein Euphemismus für das Empfindlichste am Stier, schmecken viel sanfter, als man aufs Erste meinen würde - irgendwo zwischen Bries und feinst faschiertem Kalbfleisch. Bei Balogh kommen sie in eine wunderbar abgeschmeckte Sauce mit etwas Süßwein, darunter cremiges Erdäpfelpüree, darüber reichlich Sommertrüffel - traumhaft.

Surfleisch vom Schweinshaxel klingt deftig, in ganz dünnen Scheiben, mit Kernöl und allerlei pfeffrigen Kräutern mariniert und mit Käferbohnen, Kürbiskernen und Jungzwiebel gepaart, sollte es auch hoffnungslose Schwartel-Verächter zu Wahlsteirern konvertieren. Das Backhendl wird selbstredend in Butterschmalz frittiert, dazu isst man Erdäpfel-Gurken-Salat, was sonst. Ab Oktober soll es einen Mittagstisch geben, irgendwann werden auf der sehr interessanten Austro-Weinkarte ein paar Portugiesen auftauchen - spätestens dann sollte auch einmal Stockfisch auf der Karte stehen! Sonst bleibt hier nämlich nichts zu wünschen übrig. (Severin Corti/Der Standard/Rondo/22/09/2006)